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Fortbildung und Beratung: Von ihm können Politiker den richtigen Umgang mit Neonazis lernen

Seit Jahren ist das Bild von Mathias Wörsching – lange blonde Dreadlocks – auf rechtsextremen Internetseiten zu sehen. Etwa auf einer, auf der Neonazis politische Gegner anprangern.

Seit Jahren ist das Bild von Mathias Wörsching – lange blonde Dreadlocks – auf rechtsextremen Internetseiten zu sehen. Etwa auf einer, auf der Neonazis politische Gegner anprangern. Der Grund: Der 34-jährige Wörsching beobachtet die Partei in den Sitzungen der Berliner Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) für den Verein für demokratische Kultur in Berlin (VDK). Das macht ihn bei den Rechten unbeliebt. Wörsching dokumentiert nicht nur die Auftritte der Verordneten, er analysiert auch deren Arbeit. „Wir wollen ihre Strategie entlarven und dafür sorgen, dass die NPD in der Öffentlichkeit als das wahrgenommen wird, was sie ist: eine antidemokratische rechtsextreme Partei."

Sein Bild am rechten Internet-Pranger – das ist nicht die einzige Attacke von Rechtsextremen gegen Mathias Wörsching. Er hat schon häufiger Angriffe erlebt. Das erste Mal wurde er als 13-Jähriger von einer Gruppe Jugendlicher in Bomberjacken und Springerstiefeln verfolgt. Mit 17 war er einmal nicht schnell genug. In Hohenschönhausen erwischten ihn nachts ein paar Glatzköpfe, sie schubsten ihn und traten ihm auf den Kopf. Er hatte Glück und kam mit einer leichten Gehirnerschütterung davon.

Wörsching ging in Pankow zur Schule. Über die erste Hälfte der 90er Jahre sagt er: „Damals standen an vielen Ecken Rechte. Sie griffen jeden an, der ihnen nicht passte. Es ist heute kaum vorstellbar: Für mich war es damals normal, vor ihnen davonzulaufen.“

Nach dem Studium der Geschichte und der Politikwissenschaften (Schwerpunkt: Nationalismus und Faschismus) machte er 2002 ein Praktikum bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, einem Projekt des VDK. Wörsching blieb als freier Mitarbeiter. Seine Aufgabe war es, die Internet-Kommunikation der Neonazis zu verfolgen. Als die NPD 2006 in vier Berliner Stadtteilparlamente einzog, begann er außerdem, deren Parteiarbeit zu beobachten.

Die Dokumentations- und Beratungsarbeit konnte Wörsching nicht alleine bewältigen. Im Jahr 2008 gründete der VDK deshalb ein neues Projekt. Es bekam den sperrigen Namen „Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins – Dokumentation und Analyse“. Bald hieß es nur noch BVV-Projekt. Wörsching übernahm die Leitung. Das Land Berlin fördert die Initiative.

Auch viele Kommunalpolitiker erkannten nach dem Einzug der NPD in die BVVen, dass sie nicht weitermachen konnten wie bisher. „In der BVV kann man den Kampf gegen Rechtsextremismus zwar nicht gewinnen. Aber man muss ihn unbedingt auch dort führen“, sagte Erik Gührs, SPD-Verordneter in Lichtenberg.

Mathias Wörsching und sein Team besuchen seitdem die Sitzungen der BVV in Treptow-Köpenick, in Lichtenberg und in Marzahn-Hellersdorf. Bis September 2011 fehlten sie auch bei kaum einer Sitzung im Rathaus von Neukölln, wo damals noch zwei NPD-Verordnete saßen. Sie beobachten nicht nur die Rechten, sondern auch den Umgang der demokratischen Parteien mit der NPD und bieten Fortbildungen und die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch an.

Im Herbst trafen Wörsching und sein Team interessierte Mitglieder der Piratenpartei, neu in der Berliner Bezirkspolitik. Mehrere Verordnete der BVV von Treptow-Köpenick nahmen das

Training allerdings nicht in Anspruch. Nach eigenen Angaben waren sie früher in der Antifa engagiert und kennen sich daher gut aus im Umgang mit Rechtsextremen. vf

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