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Fotografie: Beatles im Blick

Das Motiv seines Lebens waren John, Paul, George und Ringo. Jetzt stellte Harry Benson seinen wertvollsten Fotoband in Berlin vor.

Bloß keine Colaflecken! Harry Benson ist besorgt um den großen Foto-Bildband, der auf dem Tisch in einem Plexiglas-Ständer ruht. Vor allem der dazugehörige Schuber, der fast wie eine kleine Truhe wirkt, muss schnell in Sicherheit gebracht werden, während ein Zimmerkellner das Cola-Glas auf den Tisch stellt. „Das ist mein eigenes Exemplar, es ist so wertvoll.“ Der 82-jährige schottische Fotograf, der in Amerika lebt, ist an diesem Sonntag nach Berlin gekommen, um im elitären Künstlerclub „Soho-House“ in Mitte seinen Bildband mit Fotos der Beatles aus den sechziger Jahren vorzustellen. 500 Euro kostet das Buch in der billigeren Version, in der teureren 1250. Doch die ist schon vor der Präsentation ausverkauft. Kein Wunder, dass Benson besorgt um sein Exemplar ist.

Zwischen 1964 und 1966 hat er die Band immer wieder begleitet. „Ich war dabei, als die Beatlemania entstand“, sagt Benson. „Das Phänomen.“ Dass die Beatles dazu wurden, liegt zum Teil auch an seinen Fotos, die die Musiker auf ganz besondere Weise in Szene setzen. Im Buch sind etwa die berühmten Bilder von einer Kissenschlacht der Bandmitglieder zu sehen, oder die Musiker, wie sie bis zu den Knien im Meer stehen. Am beeindrucksten sind wohl die Einzelporträts, die wirken, als sei den Fotografierten gar nicht klar, dass Benson sie gerade auf Film bannt: ein geknickter John Lennon auf einem Stuhl, die Zigarette in der Hand, in Gedanken versunken. Es entstand bei einer Tournee im frommen Amerika, als Lennon die Menschen dort gegen sich aufbrachte, weil er sagte, die Beatles seien inzwischen größer als Jesus. „Da sollten Stadionauftritte in Chicago abgesagt werden und Fans verbrannten die Platten. Lennon wünschte sich damals, er hätte es nie gesagt.“

Wie kam Benson den Beatles so nahe? „Das war mein Job – und weil ich so ein liebenswerter und charmanter Mensch bin.“ Benson lacht, und dann ist ihm der Satz doch ein wenig peinlich: „Ich mache Witze.“ Er kam den Menschen, die er fotografierte nah, aber nie zu nah. „Einmal habe ich ein Foto von einem der Beatles aufgenommen, auf dem er gekifft hat – ich habe es trotz seiner Bitten verwendet.“ Dabei ist der liebenswürdige, weißhaarige Herr eigentlich jemand, dem es wichtig ist, was andere über ihn denken: „Does this make any sense to you?“ fragt er alle paar Sätze, als zweifele er an sich selbst. „Macht das Sinn, was ich sage?“

Ausgesucht habe er sich seine Aufträge eigentlich nie selbst, erzählt er. „Und ich habe nie aus Spaß fotografiert, nur für meinen Lebensunterhalt.“ Die Zeitungen, zunächst der britische Daily Express, später das Life Magazin und die Zeitschrift Vanity Fair, hätten ihn immer geschickt. Den ersten Auftrag, die Beatles zu fotografieren, nahm er nur sehr unwillig an. „Ich dachte, das passt nicht, weil ich ein seriöser Journalist sein wollte. Doch dann hörte ich die Band live und wusste: Das ist eine große Geschichte.“ Dennoch ist ihm wichtig: „Ich war kein Rock ’n’ Roll-Fotograf.“

Benson, der sich 1964, als er die Beatles auf Tournee nach Amerika begleitete, entschied dorthin überzusiedeln, wurde selbst ein Stück wandelnde Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts. Schon bevor er die Beatles zum ersten Mal fotografierte, hatte er Konrad Adenauer in Berlin und Bonn aufgenommen und 1961, am Tag des Mauerbaus, war er in Berlin, um russische Panzer und Willy Brandt zu fotografieren. „Ich war auch mit Martin Luther King unterwegs, als er für Bürgerrechte kämpfte, und stand 1968 neben Bobby, als er erschossen wurde.“ Er meint den Präsidentschaftskandidaten Robert Kennedy.

Benson war auch oft in Berlin: „Zu dieser Stadt habe ich eine besondere Beziehung.“ Im kalten Krieg kam er immer wieder her, weil es hier „trouble“ gab. „In den Achtzigern habe ich einmal eine Gruppe in Kreuzberg nicht weit vom Checkpoint Charlie fotografiert. Sie posierten mit Messern und Schusswaffen. Hinterher kamen zwei Polizisten zu mir und erzählten, dass zwei von denen zur Baader-Meinhof-Gruppe gehörten und observiert würden.“

In den letzten zehn Jahren ist er nicht mehr in Berlin gewesen. „Ich erkenne die Stadt heute fast nicht wieder – außer einige der schrecklich hässlichen Gebäude, die die Russen gebaut haben – die Lenin-Alley, Stalin-Alley, Karl-Marx-Alley.“ Dass er im Soho-Club gerade im ehemaligen Ostteil sitzt, dort wo früher Panzer der Russen standen – das findet er immer noch bemerkenswert. Daniela Martens

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