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Auf einem kutschenähnlichen Fahrzeug sitzen Männer und Frauen auf dem Führerstand. Es handelt sich um einen Elektrobus mit Akkubetrieb, der 1899 von der Firma Kühlstein in Berlin gebaut wurde.

© Berliner Leben

Fraktur! Berlin-Bilder aus der Kaiserzeit: Elektromobilität im Jahr 1899

Der Charlottenburger Autohersteller Kühlstein präsentiert 1899 einen Elektrobus mit Akkubetrieb. Wenig später verkehrt der erste E-Bus im Linienbetrieb - vorerst nur ein kurzes Experiment.

Steigen Sie ein in ein neues Zeitalter des Verkehrs! Auf der „Internationalen Motorwagen-Ausstellung“ im Exerzierhaus und auf dem Kasernenhof des „II. Garderegiments zu Fuß“ in der Karlstraße, der heutigen Reinhardtstraße in Mitte, stellt der Berliner Automobil-Hersteller Kühlstein Wagenbau im September 1899 einen Elektrischen Omnibus vor. Die „18-sitzige Mail-Coach“ ist imstande, „eine Wegstrecke von ungefähr 100 km bei einmaliger Ladung zu durchlaufen“, berichtet das „Polytechnische Journal“.

Die Wagenfabrik Kühlstein, traditionsreicher Kutschenbauer und Hoflieferant, lädt zu Rundfahrten auf dem innovativen Gefährt ein. Die Automobilbranche hat Konjunktur. Bei der ersten Berliner Autoausstellung zwei Jahre zuvor im Hotel Bristol waren gerade einmal acht Fahrzeuge von vier Herstellern zu sehen, neben den Motorwagen von Carl Benz, Gottlieb Daimler und Friedrich Lutzmann präsentierte Kühlstein dort bereits 1897 ein Elektrofahrzeug – das weniger einem Auto als einer Kutsche ohne Pferde ähnelte. Diesmal sind auf dem 2300 Quadratmeter großen Kasernengelände 120 Aussteller mit 150 Fahrzeugen vertreten, darunter 20 ausländische Autobauer. „Omnibusse, Trambahnwagen, Landauer, Motorräder, Brauerwagen, elegante Viktorias, Postkariols und Rennwagen sieht man hier in vorzüglichster Ausführung und in noch nie gezeigter Reichhaltigkeit“, schreibt das „Berliner Tageblatt“ unter der Titelzeile „Ausstellung der Zukunftswagen“. Kühlsteins Elektrobus ist mitnichten das einzige „Akkumobil“ auf der Schau, das Rennen um den künftigen Antrieb zwischen dem mit Benzin oder Petroleum gespeisten „Explosionsmotor“ und der Batterie längst nicht entschieden.

Auch die Allgemeine Berliner Omnibus-Gesellschaft - bisher noch überwiegend mit Pferdekraft unterwegs - experimentiert mit einem Batteriebus. In Zusammenarbeit mit der Union-Elekrizitäts-Gesellschaft, der späteren AEG, und der Gülcher Akkumulatorenfabrik wird ein Pferdeomnibus umgebaut. Die erste Versuchsfahrt führt am 25. Mai 1898 vom Depot an der Kurfürstenstraße zum Bahnhof Halensee und zurück. Auf der Tauentzienstraße muss der Fahrer einem Fuhrwerk ausweichen und kommt erst auf der Mittelpromenade zum Stehen. Niemand kommt zu Schaden, weitere Versuche folgen.

Im März 1900 verkehrt der erste Elektrobus im Linienverkehr

Mit Beginn der Automobilausstellung am 3. September 1899 wird der Elektrobus im Linienverkehr zwischen Anhalter Bahnhof und Stettiner Bahnhof eingesetzt. Das Fahrzeug mit zwölf Plätzen im Inneren, zwölf Deck- und zwei Stehplätzen ist „den ganzen Tag über der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit und von früh bis spät vollständig besetzt“, berichtet die „Vossische Zeitung“. Eine Batterieladung reicht für sechs Fahrten, am Askanischen Platz wird eine Ladestation eingerichtet. Doch der im März 1900 aufgenommene fahrplanmäßige Verkehr wird wegen vieler technischer Störungen schnell wieder eingestellt. Erfolgreicher wird der Schienenverkehr auf Strombetrieb umgerüstet: Seit 1896 sind die Tage der Berliner Pferdeeisenbahn gezählt, schrittweise erhalten die Strecken Oberleitungen für die neue elektrische Straßenbahn. Das Elektroauto hat vorerst keine Zukunft.

Und die Firma Kühlstein? Der Stellmacherbetrieb, der 1905 die reich verzierte Galakutsche für die Hochzeit des Kronprinzen gefertigt hat, baut noch ein paar Autos in kleinen Serien, bevor das Unternehmen 1926 Pleite macht. Das Grundstück am Salzufer 4 in Charlottenburg kauft 1934 Daimler-Benz, um seine Hauptniederlassung in Berlin zu erweitern.

Alle Beiträge unserer Serie mit Berlin-Bildern aus der Kaiserzeit lesen Sie unter www.tagesspiegel.de/fraktur

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