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Berlin: Franklin gerettet – Virchow verliert Forschung

Expertenkommission schlägt dem Senat vor, die Medizinfakultäten von Humboldt-Uni und FU zu fusionieren

Von Bärbel Schubert

Die Expertenkommission zur Hochschulmedizin will dem Senat einen ungewöhnlichen Vorschlag unterbreiten: Die Charité in Mitte und das bisher von Schließung bedrohte Klinikum Benjamin Franklin sollen zusammengeführt werden und eine gemeinsame Medizinfakultät von Freier und Humboldt-Universität bilden. Das Klinikum Rudolf Virchow in Wedding soll ab 2010 nicht mehr Hochschul-Standort sein und als Städtisches Krankenhaus weiterarbeiten. Dies geht nach Tagesspiegel-Informationen aus dem Gutachten der Experten hervor, das am Montag dem Senat übergeben wird.

Doch diese Einschnitte reichen allein noch nicht, um die vom Senat verlangten Einsparungen von 98 Millionen Euro jährlich zu erbringen. Außerdem sollen – den Forderungen der Krankenkassen entsprechend – erneut mehr als 1000 Klinikbetten abgebaut werden, so dass von bisher 3500 noch 2200 erhalten bleiben. Zusätzlich wird empfohlen, eine der beiden Zahnkliniken zu schließen und alle diese Kapazitäten in der Zahnklinik Wilmersdorf zu konzentrieren. Die Experten wollen auch die Verwaltungen der Kliniken Benjamin Franklin und Charité zusammenlegen, wie es schon längere Zeit im Gespräch war.

Mit der Fusion sollen die wissenschaftliche Qualität der Medizin in Berlin gehalten und gleichzeitig 98 Millionen Euro jährlich gespart werden. Das sei eigentlich nur unter einem Dach realistisch, ist an den Kliniken zu hören. Die neue Medizinfakultät in der gemeinsamen Verantwortung von Humboldt- und Freier Universität soll es ermöglichen, bisher doppelt und dreifach vorhandene Angebote in Forschung und Lehre abzubauen. In Berlin werden etliche Bereiche mehrfach vorgehalten, beispielsweise Anästhesie, allgemeine Chirurgie, Nuklearmedizin, Strahlentherapie, Anatomie, Mikrobiologie und Pathologie. Dabei hat sich die Kommission auf eine Begutachtung von Forschung und Lehre beschränkt. Dass diese Angebote in der Krankenversorgung für eine Großstadt wie Berlin mehrfach vorgehalten werden müssen, ist unstrittig.

Das Virchow-Klinikum gehört erst seit 1995 nicht mehr zur Freien Universität und wurde durch Fusion der Charité in Mitte verbunden. Beide gehören jetzt zur Humboldt-Universität. Die geplante Umwandlung bedeutet einen Konzentrationsprozess von Forschung und Lehre an der Charité.

Beide Standorte der Humboldt-Universität rechnen für dieses Jahr mit einem Drittmittelaufkommen von 60 Millionen Euro. Dieses Geld wird für Forschungsprojekte vom Bund und anderen Geldgebern nach Berlin eingeworben. Allein an der Charité in Mitte werden über 2000 Arbeitsplätze aus diesem Topf finanziert.

Gegen das Virchow-Klinikum sprachen unter anderem vergleichsweise hohe Betriebskosten wegen der verstreut liegenden Gebäude des Klinikums. Eine erneute Auseinandersetzung um das Bettenhaus der Charité soll es dagegen nicht geben, da es als ausgesprochen wirtschaftlich gilt. Die Charité in Mitte hat überdies einen zentralen Campus. Dort soll die vorklinische Ausbildung der Medizinstudenten konzentriert werden. Das UKBF kann ebenfalls auf eine sehr gute Drittmittelbilanz verweisen. Zu seinen Stärken gehören die Biochemie und die Physiologie. Zum Nachteil gereicht dem Virchow-Klinikum auch, dass es zu wenig Platz für neue Forschungsflächen bietet.

Die fünfköpfige Expertenkommission hat die neue Struktur im Auftrag des Senats erarbeitet. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen ab dem Jahr 2006 gelten, nach Auslaufen der geltenden Hochschulverträge. De facto werden die Auswirkungen des Stellenabbaus wohl aber erst ab 2010 greifen. Bevor der Berliner Senat über das Gutachten entscheidet, wird der Wissenschaftsrat es erneut auf seine Tragfähigkeit hin überprüfen. Das soll bis spätestens im Frühjahr abgeschlossen sein.

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