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Berlin: Frau Schmidt bei den Präparaten

Die pathologische Sammlung der Charité braucht einen neuen Ort. Die Gesundheitsministerin hat sich mal umgeschaut

Von David Ensikat

Die Ministerin hat einen harten Schädel. Als Ulla Schmidt, zuständig für die Gesundheit im Lande, sich nach ihrer Sonnenbrille bückt, stößt sie mit dumpfem Schlag gegen den Kopf des überaus höflichen und obersten Kinderchirurgen der Charité, Harald Mau. Der wollte seiner Ministerin zuvorkommen, doch hier unten, im Keller der Pathologie, ist es zu eng für so viel Höflichkeit. Die beiden halten sich für Sekunden die schmerzenden Köpfe, und dann geht es gleich weiter – man unterhält sich über die Enge der dunklen Gewölbe unter der Pathologie.

Es ist Sonntagnachmittag, die Gesundheitsministerin absolviert ihren zweiten Termin. Charité, Museum für Medizingeschichte, pathologische Sammlung. Es beginnt ganz bekömmlich mit dem Schreibtisch von Rudolf Virchow, doch dann folgen die Präparate, auf die die Aussteller der Charité besonders stolz sind. Gutartige und bösartige Geschwulste, entzündete Harnröhren, Embryos, die Figuren aus der Mythologie ähneln. Die Ministerin bestaunt’s und hält einen Fachplausch über die pränatale Diagnostik. Danach geht’s in den Keller, dorthin, wo die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat, wo es feucht ist, eng und stickig, wo nicht hunderte formalingetränkte Präparate von der Unvollkommenheit menschlichen Daseins künden – sondern tausende.

Frau Schmidt guckt sich das hier an, da die Charité und die Stiftung Denkmalschutz dieser monumentalen Sammlung einen würdigeren Aufenthaltsort verschaffen wollen. Sie wissen, dass der Ministerin schon das Geld für die aktuell-pathologischen Probleme fehlt, und dass sie für ihr Vorhaben keines aus dem Ministerium erwarten können. Ihnen geht es um Zuspruch, um ein prominentes „Das-ist-gut-was-ihr-da-macht“. Also zeigen sie der Ministerin die stickigen Gewölbe, die 98 Prozent der Sammlung beherbergen. Eng aneinander stehen hier die Regale, die Bretter biegen sich unter der grausigen, verstaubten Last. Klar, dass da was geschehen muss, die Gesundheitsministerin findet das auch. Gut, dass es die Idee mit dem Bewag-Gebäude am Koppenplatz in Mitte gibt, wo das Depot hin soll. Wunderbar, dass die Sache durch private Sponsoren bezahlt werden soll, am liebsten Pharmaunternehmen. Die Ministerin ist dafür, auch wenn der Schädel am Ende etwas brummt.

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