zum Hauptinhalt
300767_0_2c63cb1b.jpg

© Davids

Frauenüberschuss: Die Wählermehrheit ist weiblich

Politikerinnen werben um Frauen und ärgern sich über männliche Kontrahenten. Die Parteien aber spiegeln diesen Frauenanteil nicht wieder. Der Anteil aller Kandidatinnen liegt bei 26,3 Prozent – fast drei Prozentpunkte niedriger als 2005.

Von Sabine Beikler

„Kennenlernen im Turbogang“ – damit werben Veranstalter von Speed Datings um Singles, die im schnellen Gesprächswechsel Partner finden wollen. Beim „Speed Talk“ des Business and Professional Women Club Berlin (BPV) warben dagegen vor kurzem Politikerinnen um die weibliche Gunst. Frauen können wahlentscheidend sein: Sie stellen mit 52,1 Prozent der 2,47 Millionen Wahlberechtigten in Berlin die Mehrheit.

Die Parteien aber spiegeln diesen Frauenanteil nicht wieder. Der Anteil aller Kandidatinnen liegt bei 26,3 Prozent – fast drei Prozentpunkte niedriger als 2005. Die Linken haben mit 46,7 Prozent den höchsten Frauenanteil, gefolgt von den Grünen (43,8 Prozent), der SPD (37,5 Prozent) und der CDU (31,3 Prozent). Schlusslicht bildet die FDP mit 15,4 Prozent Frauenanteil.

Trotz der schlechten liberalen „Frauenquote“ wirbt Mieke Senftleben als FDP-Kandidatin in Reinickendorf um Wählerinnen. „Gleichstellungspolitik ist für die FDP eine Selbstverständlichkeit“ steht auf ihrem Wahlkampfflyer. Senftleben ist Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen und sagt: „Als Politikerin habe ich Verantwortung für die Interessen von Frauen zu tragen.“ Sie fordert gleichen Lohn für gleiche Arbeit, mehr Frauen in Führungspositionen und „gesellschaftliche Voraussetzungen“, damit Frauen mit Kindern für ihren Unterhalt selbst aufkommen können. Übersetzt heißt das: die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung sowie -erziehung zu fördern. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit erfahren die Politikerinnen in vielen Gesprächen mit Frauen. „Der Niedriglohnsektor ist überwiegend weiblich“, sagt Mechthild Rawert, SPD-Kandidatin in Tempelhof-Schöneberg. Neben einem gesetzlichen Mindestlohn müsse die Arbeit von Frauen im Pflege- und Erziehungsbereich aufgewertet werden. „Frauen, die Kinder möchten, müssen die Chance haben, berufstätig zu sein“, sagt auch Petra Merkel, SPD-Direktkandidatin in Charlottenburg-Wilmersdorf. Der gesetzliche Anspruch auf einen Krippenplatz sei ebenso umzusetzen wie die Umgestaltung von Kitas zu hochwertigen Bildungseinrichtungen. Für die Berliner CDU-Spitzenkandidatin Monika Grütters ist „Frauenpolitik maßgeblich Familienpolitik“. Sie fordert unter anderem die Einführung des Familiensplittings, eine Erhöhung des Elterngeldes und der Freibeträge. Grütters lehnt ein Betreuungsgeld ab, stattdessen will sie Bildungsgutscheine für Sprach-, Musik- oder Sportunterricht einführen.

Nach der Wende hätten viele ostdeutsche Frauen unterhalb ihrer Qualifikation arbeiten müssen, sagt die Lichtenberger Linkskandidatin Gesine Lötzsch. Zu dieser Ungerechtigkeit komme auch die Ungleichbezahlung für gleiche Arbeit von Mann und Frau hinzu. Lötzsch fordert wie auch Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast gleichen Lohn für gleiche Arbeit. „Frauen ist nicht mit warmen Worten geholfen, sondern mit konkreten Taten“, sagt Künast. Sie setzt sich unter anderem für ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirtschaft ein und die Einführung einer 50-Prozent-Quote für Frauen in Aufsichtsräten wie in Norwegen.

Ein Phänomen im Wahlkampf erleben die Kandidatinnen aller Parteien übrigens fast alle: Sie lassen sich auf „Zickenkrieg“, wie es auf manchen Wahlveranstaltungen offensichtlich gewünscht wird, nicht ein. Und sie erleben männliche Kontrahenten häufig als „schenkelklopfende, Sprüche und Witze machende Politiker ohne Inhalte“. Eine Politikerin sagt: „Wenn man von Intelligenz die männliche Eitelkeit abzieht, gehen die Werte bei den meisten deutlich in den Minusbereich.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false