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Bei der Silvesterfeier am Brandenburger Tor sind professionelle Pyrotechniker am Werk. Ab 31. Dezember 18 Uhr darf jeder seine Raketen zünden.

© dpa

Frei zum Abschuss: Nicht nur Silvester krachen in Berlin die Raketen

Ob Kleingartenfest oder Firmenkongress: Die Berliner Bezirke genehmigen 600 Feuerwerke pro Jahr.

Die Stadt rüstet auf – doch längst nicht mehr nur in der Silvesternacht. Am Donnerstag beginnt der Raketenverkauf, geknallt werden darf zwar erst am 31. Dezember ab 18 Uhr und auch nur bis zum nächsten Morgen. Doch Raketen werden nahezu täglich über der Stadt abgeschossen. 600 angemeldete Feuerwerke wurden in Berlin in diesem Jahr gezündet. Und das nicht nur bei Großveranstaltungen wie den Feiern am Brandenburger Tor, der Pyronale oder bei Wannsee in Flammen, sondern auch bei Firmen- und Vereinsjubiläen, Hochzeiten oder runden Geburtstagen, zu denen ein Pyrotechniker bestellt wird. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher.

Die Bezirke erteilen die Genehmigungen unterschiedlich. „Es muss endlich eine einheitliche Regelung für Berlin her“, fordert Michael Twirdy, Ordnungsamtsleiter in Treptow- Köpenick, und wird darin auch vom Pankower Stadtrat Torsten Kühne (CDU) unterstützt. Doch schon 2007 sei eine Anfrage an die Senatsverwaltung mit der Begründung fehlender Notwendigkeit abgelehnt worden.

Ob die Raketen zum persönlichen Festtag abgeschossen werden dürfen, entscheidet derzeit das jeweilige Ordnungsamt. Die Verordnungen zum Sprengstoffgesetz sehen nur vor, dass eine Bewilligung an Privatleute bei Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen in Ausnahmefällen erteilt werden darf.

Leicht hat es ein professioneller Pyrotechniker. Er muss sein Feuerwerk beim Ordnungsamt lediglich anmelden. Gibt es keine besonderen Hinderungsgründe wie eine lange Trockenperiode oder bauliche Bedenken, darf er seinen Job ausführen.

Charlottenburg-Wilmersdorf hat 2011 bisher 37 gewerbliche Feuerwerke bestätigt und ein privates – ein Chemieexperiment an einer gymnasialen Oberstufe – genehmigt. Private Anfragen werden wie im Nachbarbezirk Steglitz-Zehlendorf grundsätzlich abgelehnt, „weil das Verbot gesetzlich der Normalfall ist“, heißt es beim dortigen Ordnungsamt. Treptow-Köpenick hat in diesem Jahr 64 Privatanfragen abgelehnt und acht genehmigt, Pankow macht zu Anlässen wie runden Geburtstagen oder Jubiläen hingegen mehr Ausnahmen. Und in Friedrichshain-Kreuzberg soll erst zukünftig restriktiver vorgegangen werden.

Bußgelder von bis zu 10 000 Euro kann das Ordnungsamt verhängen. Das stört einige Feuerwerkfans aber wenig.

Auch wenn die Menge der abgebrannten Feuerwerke gefühlt zunimmt – ein Eindruck, den auch der Berliner Mieterverein und viele Ordnungsamts-Mitarbeiter für ihr privates Umfeld teilen –, die Zahl der offiziellen Beschwerden steigt kaum. Vermutlich, weil die Ruhestörungen meist schnell vorbei sind und es in dicht bebauten Gebieten oder in dunklen Parks schwierig ist, den Verursacher auszumachen. Generell gilt: Das Abbrennen von Feuerwerkskörpern ist Privatleuten nur zwischen dem 31. Dezember ab 18 Uhr bis zum 1. Januar um sieben Uhr gestattet, und bei Zuwiderhandlung drohen Bußgelder von bis zu 10 000 Euro. Doch das stört die Feuerwerkfans auch im Rest des Jahres wenig.

Im Pankower Ortsteil Blankenburg haben Anwohner bereits eine Anti- Lärm-Initiative gegründet. An jedem regenfreien Wochenende werde hier illegal geknallt, berichtet Bob Sperberg. Die Verursacher seien zwar größtenteils bekannt, doch sei es fast unmöglich, sie auf frischer Tat zu ertappen. Und die Polizei komme häufig zu spät oder manchmal gar nicht. „Das Unrechtsbewusstsein fehlt“, sagt der 48-Jährige. Wenn er einen Nachbarn anspreche, höre er die Antwort: „Was willst du denn? Das machen doch alle hier!“

Derzeit verstärken die Sicherheitsbehörden die Kontrollen. Im November haben Zöllner mehr als 10 000 sogenannter Polen-Böller in einem Berliner Pkw in Frankfurt (Oder) entdeckt. Mitte Dezember wurden 610 Kilogramm Feuerwerkskörper auf einem Lkw gefunden. Insgesamt stellten die Beamten des Hauptzollamts Frankfurt mehr als 16 000 Böller sicher. Wie gefährlich der Stoff ist, zeigte sich wieder am Wochenende: In der Kreuzberger Urbanstraße wurde Heiligabend ein Mülleimer in die Luft gesprengt; die Metallstange des Behälters flog quer über die Straße und durchschlug die Fensterscheibe eines Geschäfts. Und im Potsdamer Stadtteil Babelsberg wurde einem 21-Jährigen gar die Hand abgerissen, als er einen selbst gebastelten Böller anzündete.

500 Verletzte und 280 Brände – so lautet die Silvesterbilanz der Feuerwehr vom vorigen Jahr. Und sie könnte jetzt noch höher ausfallen. Denn erstmals sind nach der Annäherung an EU-Gesetze Feuerwerksbatterien mit bis zu 500 Gramm Explosivstoff erhältlich. Das Problem an den großen Batterien – in deren Bedienungsanleitung empfohlen wird, dass nur ein Pyrotechniker sie auf einmal zur Gänze abfeuern soll – ist die gefächerte Anordnung der explosiv gefüllten Papprohre. Wer den großen Karton erstmals im Dunkeln der Silvesternacht und vielleicht schon angeheitert öffnet, kann leicht übersehen, dass die Raketen nicht nur direkt in die Höhe, sondern auch seitlich hochschießen werden. Vom Kauf illegaler Raketen und Böller raten die Experten eh ab. (mit AG/dapd)

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