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Berlin: Freie Fahrt für Raser: Jagdsaison (Kommentar)

Wer zu früh an der Ampel bremst, den bestraft der Hintermann. Zumindest in Berlin.

Wer zu früh an der Ampel bremst, den bestraft der Hintermann. Zumindest in Berlin. Viele Autofahrer in der Stadt bleiben inzwischen bei einer tiefgelben Ampel immer noch auf dem Gaspedal, um die Kreuzung noch zu schaffen. Wer vorschriftsmäßig bremst, muss sich zuweilen beschimpfen lassen - oder miterleben, wie einem der darob überraschte Hintermann ins Heck kracht. Da gibt man auch selber lieber Gas.

Das Erschrecken war groß, als 1999 in Berlin erstmalig nach Jahren des stetigen Rückgangs - und entgegen dem Bundestrend - die Zahl der Verkehrstoten deutlich anstieg. Genutzt hat es nichts; die Entwicklung setzt sich in diesem Jahr ungebrochen fort. Im ersten Quartal hatte Berlin bundesweit den höchsten Anstieg an Verkehrstoten. Jeder zweite Tote gehört zur Gruppe der schwächsten Verkehrsteilnehmer, den Fußgängern. Und bei nahezu allen tödlichen Unfällen an Ampeln wurde zu hohe Geschwindigkeit als Ursache ermittelt.

Im Frühjahr rätselten Medien und die Politik noch über die Ursachen. Das hat sich erledigt. Die Statistiken machen deutlich, dass auch die Polizei ihren Anteil daran hat. Sie gibt es zunehmend auf, durch Kontrollen die rasewütigen Autofahrer in Schach zu halten. Das kann mit Personalmangel und zusätzlichen Aufgaben begründet werden, doch erklärt ist damit überhaupt nichts.

Aber kann man der Polizei einen Vorwurf machen? Sie soll zivilisatorische Standards gegen den Jagdinstinkt der Autofahrer verteidigen und gleichzeitig melden Radiosender jeden "Flitzer-Blitzer", als wäre es die reine Schikane. Berlin hat Tempo, das ist gut; mit einer offenen Stadt für Raser darf das nicht verwechselt werden.

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