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Berlin: Freiheit auf Probe

Seit 50 Jahren gibt es die Bewährungshilfe. Das Land spart dadurch Millionen

Die Frau ist weg, die Flasche wird zum besten Freund, der Job ist verloren, Schulden drücken, Drogen betäuben. Lebenslagen, in denen manch einer kriminell wird. Mit Menschen, denen das so oder ähnlich passiert, haben Bewährungshelfer immer häufiger zu tun. Wer eine Straftat begeht, hat sich in der Gesellschaft nicht bewährt. Damit er leichter zurück in ein straffreies Leben findet, gibt es Bewährungshelfer. Gestern feierte die Berliner Bewährungshilfe ihr 50-jähriges Bestehen.

In dieser Zeit hat sich vieles geändert. Vor allem die Zahlen: Drei Mitarbeiter gab es 1954, sie kümmerten sich um 13 Personen. Heute sind 113 Bewährungshelfer für 6338 Straftäter zuständig. Sie nennt man heute Probanden, und die Zahl 6338 bezieht sich allein auf die Zeit von Januar bis Ende August 2004. Viele haben schwere familiäre und soziale Probleme. Im Lauf der Jahre stockte die Bewährungshilfe ihr Angebot deshalb immer wieder auf: So kam die Schuldnerberatung dazu, psychologische Beratung, es folgten Anti-Gewalt-Kurse, Entwöhnungs-Angebote für Alkoholiker. Seit den vergangenen 15 Jahren wird bei der Beschäftigung mit den Straftätern auch die Situation des Opfers behandelt. „Davor arbeitete man fast ausschließlich täterorientiert“, sagte die Leiterin der Sozialen Dienste, Karola Kroworz. Jetzt werden Täter auch gezielt zu Gesprächen mit ihren Opfern zusammengebracht.

Ist die Bewährungszeit erfolgreich, so wird dem Straftäter seine Haftstrafe erlassen. Allein im Jahr 2003 summierten sich die erlassenen Strafen auf rund 989 Haftjahre und ersparten dem Staat 30 Millionen Euro Kosten. Damit sind die Helfer, die Teil der Sozialen Dienste der Justiz sind, für den Staat kein schlechtes Geschäft, denn im Landeshaushalt stehen für sie nur 7,2 Millionen Euro bereit. „Die Sozialen Dienste halten die Justiz davon ab, noch mehr tätig werden zu müssen“, sagte Justizsenatorin Karin Schubert (SPD). Sie lobte die Bewährungshelfer für ihre Arbeit in schwierigen Zeiten und bei ständiger Personalnot. Das Personal ist in den Jahren mitgealtert: Über 60 Prozent der Mitarbeiter sind 50 und älter; unter 30 ist kaum jemand. Es wird auch niemand eingestellt.

Bundesweit einmalig sind die Sozialen Dienste Berlins, zu denen die Bewährungshilfe gehört, in mehrerlei Hinsicht. Die Sozialen Dienste sind als eigenständige Behörde organisiert und mit Abstand die größte ihrer Art in Deutschland. Nicht aber die älteste – die deutschen Bewährungshelfer haben sich schon 1953 in einem Verband organisiert.

Bewährungshilfe setzt ein, wenn die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird oder wenn ein Gefangener einen Teil seiner Strafe verbüßt hat und dann vorzeitig entlassen wird. Die meisten Probanden sind Deutsche, 70 Prozent, die wenigsten Frauen – nur zehn Prozent. Gut die Hälfte schafft es reibungslos durch die Bewährungszeit: Bei 55 Prozent der Probanden endet sie mit einem Straferlass, bei 35 Prozent wird die Bewährung widerrufen – sie müssen also ihre Strafe doch noch antreten.

Fatina Keilani

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