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Berlin: Freitickets für Politiker: Ermittlungswelle rollt

War das Annehmen von Gratis-Eintrittskarten für Sportveranstaltungen unerlaubte Vorteilsnahme?

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Auf 100 bis 150 Politiker in Berlin und Brandenburg, die Spiele von Hertha BSC und Alba besucht und dabei Freikarten in Anspruch genommen haben, kommt möglicherweise ein Ermittlungsverfahren zu. Es geht um den Verdacht der Vorteilsannahme. Nach Informationen des Tagesspiegels überprüft die Staatsanwaltschaft ungefähr 1000 Namen, die bei einer Durchsuchung der Geschäftsräume von Alba und von Hertha im Februar in den Unterlagen gefunden wurden.

Vorerst wurde dem Vernehmen nach nur ein Mitarbeiter des Landeskriminalamts abgestellt, um jene „Amtsträger“ herauszufiltern, denen angeblich „Vorteile in Form von Freikarten und Bewirtungsleistungen“ gewährt wurden. Die Prüfung könne „noch Monate dauern“, sagte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde auf Anfrage. In jedem Einzelfall müsse geklärt werden, ob der Besuch der Sportveranstaltungen einen dienstlichen Bezug gehabt habe, genehmigt wurde oder möglicherweise schon verjährt sei. Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass auch Brandenburger überprüft werden.

Die Zahl von 100 bis 150 Amtsträgern, deren Besuche bei Hertha BSC und Alba dem Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra (zuständig für Wirtschaftskriminalität und Korruption) verdächtig erscheinen, wurde weder dementiert noch bestätigt. Derzeit wollen die Ermittler öffentlich keine Prognosen abgeben. „Wie in bedeutsamen Fällen üblich und vorgeschrieben“, so die Staatsanwaltschaft, sei der Generalstaatsanwalt „auf dem Berichtsweg“ über die Vorermittlungen informiert worden. Es gibt Gerüchte, dass die Ermittler rechtzeitig zur Fußball-WM erste Ergebnisse präsentieren könnten.

Die Betroffenen schauen irritiert, vielleicht auch ein bisschen amüsiert auf das Engagement der Ermittler. „Der Senat hat als Eigentümer der Max-Schmeling-Halle und des Olympiastadions einen Anspruch auf Freikarten“, erklärte die Sportverwaltung. Diese Regelung gelte seit Jahrzehnten. Die Vergabe von Freikarten sei auch kein Geheimnis, sondern vertraglich festgeschrieben und auch in anderen Bundesländern üblich.

Das Unternehmen Alba, Sponsor des gleichnamigen Basketballvereins, verzichtet „aus Respekt vor der Berliner Justiz“ vorläufig darauf, Politiker zu den Spielen einzuladen. „Aber wir haben uns nichts vorzuwerfen und finden die bisherige Praxis der Vergabe von Freikarten okay“, sagte Alba-Sprecher Axel Bahr. Gegen Alba und Hertha BSC ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung.

Vergleichbare Ermittlungen hat es bundesweit noch nie gegeben. Der Kölner Stadtrat hat allerdings 2004 einen Ältestenrat gegründet, um die bis dahin offenbar flächendeckende Versorgung der Kommunalpolitiker mit Gratis-Dauerkarten des 1. FC Köln einzudämmen. „Um die Gratwanderung zwischen Freikarten und Rotweinflaschen zu bewältigen, ohne in die Kriminalität abzustürzen“, wie es die Grünen-Politikerin Barbara Moritz in einer Ratssitzung launig formulierte.

Unterdessen gibt es auch bei der Berliner Polizei Ermittlungen wegen Gratis-Eintrittskarten. Zwei hochrangige Beamte wurden jetzt versetzt – sie sollen Gratiskarten von einem 57-jährigen Kollegen angenommen haben, der bereits in der vergangenen Woche seines Posten enthoben worden ist. Der 57-Jährige soll sich „unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung Eintrittskarten und Zugangsberechtigungen für kulturelle Veranstaltungen verschafft“ haben. Ingesamt soll der Mann 200 Karten verteilt haben. Zudem gibt es den Vorwurf, er habe interne Daten weitergegeben. Gegen den Vize-Direktionsleiter und den Stabsleiter der gleichen Direktion wird nicht ermittelt, die Versetzung sei aus „dienstlichen Gründen“ erfolgt.

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