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Berlin: „Freundschaften sind unabhängig von Nationen“

Fünf Monate im Bundestag: Praktika für die Elite von morgen

Alexander Minakov drückt lächelnd Hände. Er schiebt die Gäste in den Hörsaal des russischen Hauses in der Friedrichstraße. Hier findet der Abschiedsempfang für 92 internationale Parlamentspraktikanten statt. Sie sind im März aus 18 verschiedenen Ländern nach Deutschland gekommen, um fünf Monate lang einem Bundestagsabgeordneten über die Schulter zu schauen. Jetzt sprechen sie über ihre Erfahrungen. Die Arbeit im Abgeordnetenbüro fiel ganz unterschiedlich aus. Manche haben Positionspapiere geschrieben, andere die Presse ihres Heimatlandes ausgewertet, sind zu Sitzungen mitgegangen. Alle aber sind auch in den Wahlkreis ihres Abgeordneten gefahren. Das fand Alexander Minakov besonders spannend. Zu Hause in Sankt Petersburg arbeitet der 25-Jährige in einer politischen Beratungsagentur. „Ich weiß jetzt, wie in Deutschland Basisarbeit gemacht wird.“

Seit März wohnen die Praktikanten in international zusammengesetzten Wohngemeinschaften. Dort wird nur Deutsch gesprochen. Eine andere gemeinsame Sprache haben die Amerikaner, Litauer, Rumänen und Tschechen meist nicht. Enge Bindungen sind dennoch entstanden – ein Ziel des Programms. „Es ist mir egal, ob die Leute Amerikaner oder Slowenen sind. Freundschaften entstehen unabhängig von der Nationalität“, findet Minakov. Und Ktváu Mezö, 28 Jahre alt und aus Ungarn, hat „ewige Freundschaftsverträge“ geschlossen. Er will Treffen organisieren, jedes Jahr in einem anderen Land. Mit dem Ende des Praktikums wird für die meisten auch die Aufenthaltserlaubnis ablaufen. Minakov will dann zurück nach Sankt Petersburg. „Wenn man dort aufgewachsen ist, dann ist man richtig in diese Stadt verliebt.“ Doch der Abschied fällt trotzdem schwer. Susanne Czibok, 25 Jahre, in Ungarn im Außenministerium beschäftigt, deutet ein Schluchzen an, dann lacht sie. „Natürlich habe ich das Praktikum sehr genossen. Aber ich mag Budapest, und mein Freund wartet dort auf mich.“

Die Praktikantenprogramme gibt es für einige Länder schon seit 20 Jahren. Vergleichbares für Deutsche gibt es aber bisher nur in Frankreich. Das soll sich ab dem nächsten Jahr ändern. Mit Kanada und Israel sind die Gespräche schon weit gediehen. Doch für viele Länder ist die Aufnahme junger Praktikanten aus dem Ausland auch eine Frage des Geldes. Deutschland zahlt die Aufenthaltskosten seiner Gäste gerne. „Für uns ist dies das wichtigste Programm“, sagt Peter Jung vomReferat für internationale Austauschprogramme beim Deutschen Bundestag. „Es ist großartig zu sehen, was für eine hervorragende Elite in den jungen Demokratien Osteuropas heranwächst.“ Jung weiß, dass unter den Ehemaligen bald führende Politiker sein werden, die dann einen ganz persönlichen Bezug zu Deutschland haben. Und auch die Bundestagsabgeordneten schätzen die sich so ergebenden Kontakte. Jedes Jahr gibt es mehr Anfragen aus den Abgeordnetenbüros als Praktikanten. „Und manchmal“, gesteht der CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen, „möchte man sie gar nicht mehr gehen lassen.“

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