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Die Piratenpartei nimmt Kurs auf Friedrichshain-Kreuzberg.

© dapd

Friedrichshain-Kreuzberg: Die Piratenpartei auf Beutezug

In Friedrichshain-Kreuzberg will die Fraktion der Piraten Macht und Geld von den Linken. Doch die spielen nicht mit. Zum Glück, sagen Politikwissenschaftler, denn der Weg zur politischen Korruption ist nicht mehr weit.

Rodrigo Borgia soll sich sein Papstamt anno 1492 mit vier Maultierladungen Silber gesichert haben. Das Konklave zur Papstwahl war im späten Mittelalter ein Geschachere um Pfründe und Titel. Gegenwärtig befindet sich die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg in einer Art Konklave. Es wird seit Wochen sondiert, gestritten, paktiert und koaliert. Ziel ist, die Wiederwahl des grünen Bezirksbürgermeisters Franz Schulz zu sichern und die Stadtratskandidaten von SPD und Linken durchzusetzen. Es geht um politischen Einfluss.

Doch nun fordern die Piraten im Bezirk beides, Einfluss und Geld – vom politischen Mitbewerber, den Linken. Deren Stadtrat Knut Mildner-Spindler möge die Spendensumme, die er jeden Monat seiner Partei überweist – 500 Euro – künftig zur Hälfte den Piraten zukommen lassen. Weil die Piraten nicht genügend Kandidaten für die BVV aufgestellt hatten, konnten sie vier von neun Sitzen nicht besetzen. Der Stadtratsposten, der ihnen zugestanden hätte, ging an die Linken.

Juristisch nicht zu beanstanden, erklärten die Rechtskundigen von Bezirk und Senat. Politisch jedoch ein Novum, ein Präzedenzfall. Die Linken versuchten, den Piraten mit einer „privilegierten Partnerschaft“ entgegenzukommen, einer politische Kooperation. Doch die Piraten wollten mehr: einen Stadtrat, der gleichberechtigt zwei Fraktionen verpflichtet ist. Politikwissenschaftler Nils Diederich, früher selbst aktiver Politiker, findet die Piratenforderung „seltsam“ und rät den Linken, sie abzulehnen. Täten sie das nicht, wäre der „Sündenfall“ da und der Weg zur politischen Korruption nicht mehr weit. Wäre er selbst Pirat, würde er sich „schämen, eine solche Forderung zu stellen“. Auch Parteienforscher Richard Stöss findet das Ansinnen „moralisch problematisch“. Der Vorgang wirft auch ein Licht auf die gängige Praxis der Parteienfinanzierung. Fast ausnahmslos zahlen Senatoren, Stadträte und Abgeordnete in ihre Parteikassen ein. Diese „Mandatsträgerabgaben“, auch Parteisteuern genannt, gelten offiziell als Spenden, parteiintern aber als Pflichtabgabe. Grüne und CDU haben eine „Beitragsordnung“ als Teil der Parteisatzung erlassen, wo genau ausgeführt wird, wer wie viel zu zahlen hat. SPD und Linke kassieren auch von ihren Mandatsträgern, geben die genauen Summen aber nicht vor.

Franz Schulz zahlt von seinem Bruttoverdienst als Bezirksbürgermeister – rund 7500 Euro – 20 Prozent an den Kreisverband der Grünen und findet das auch in Ordnung. Die Kreuzberger Piraten geben zehn Prozent ihrer BVV-Aufwandsentschädigung von 350 Euro im Monat an die Partei ab.

Am Freitagabend fand im Kreuzberger Bürgerbüro der Linken-Bundestagsabgeordneten Halina Wawzyniak das entscheidende Treffen statt. Wawzyniak kam gleich zur Sache. Mit Spenden den Aufbau einer anderen Partei zu unterstützen, widerspreche der Bundessatzung. Linken-Stadtrat Knut Mildner-Spindler befürchtet eine negative Medienkampagne. Eine Zeitung hatte schon getitelt: „Wahl für Cash“, was man auch mit Ämterkauf übersetzen könnte.

Die Piraten wollen die Ablehnung ihrer Idee nun mit ihrer Basis besprechen. Als Ersatz für Cash bietet Halina Wawzyniak ihr weitläufiges Bürgerbüro an. Das würde sie den Piraten kostenlos für Veranstaltungen überlassen. "Am Ende ist das Gesamtpaket entscheidend", sagt Piraten-Fraktionschef Ralf Gerlich. Die Kreuzberger Piraten könnten das Geld der Linken gut gebrauchen. Nun müssen sie sich vorerst weiter selbst ausbeuten.

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