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Anders als die Initiatoren lehnen viele Anwohner und Gewerbetreibende die Installation ab. Die Besitzer von "Winters Hotel" haben kurzerhand ein Werbeplakat aufgehängt. "Damit wir trotz Mauer sichtbar bleiben."

© dapd

Friedrichstraße: Kunstwerk empört Anwohner

Mit einer Mauer wollten die Macher der Biennale auf die soziale Spaltung der Stadt aufmerksam machen. Doch was gut gemeint war, hat sich zum Streitpunkt unter ansässigen Händlern und Anwohnern entwickelt.

Der Stein des Anstoßes ist zwölf Meter lang, fünf Meter hoch und auch sonst ziemlich auffällig: Eine als „Peace Wall“ bezeichnete Mauer ist als Kunstwerk quer über die Friedrichstraße errichtet worden. Rund 150 Meter südlich vom Checkpoint Charlie, an dem bekanntlich schon mal eine Mauer entlangführte. „Geschmacklos!“, nennt eine Anwohnerin die neu errichtete Mauer. Ihre Begleiterin findet, das „hier ist der falsche Platz. So etwas hierhin zu stellen, zeugt von fehlendem politischen Bewusstsein“. Tatsächlich ist die Mauer Teil der 7. Berliner Biennale, die sich durchaus als politische Plattform begreift. Das aus schwarzen Spanplatten und Wellblech zusammengeschraubte Kunstwerk hat die mazedonische Künstlerin Nada Prlja am 2. Mai errichten lassen.

Die Mauer soll als optische Barrikade die unsichtbare Stelle sichtbar machen, an der die Straße sozial gespalten ist, erklärt Biennale-Direktorin Gabriele Horn am Montagabend am Rande einer Diskussionveranstaltung, zu der das Bildungsnetzwerk Südliche Friedrichstadt direkt an der neuen Mauer eingeladen hat. Der obere Teil der Friedrichstraße, der größtenteils zu Mitte gehört, ist von Hotels, Edelboutiquen und Penthouse-Wohnungen geprägt. Südlich vom Checkpoint Charlie, wo Kreuzberg beginnt, findet sich das, was einige einen Problemkiez nennen: Auch im Winter sammeln sich am dortigen Mehringplatz Trinker, die Arbeitslosenrate ist höher als in vielen anderen Kiezen von Kreuzberg, rund 70 Prozent der Kinder in den Hochhäusern am nahen Halleschen Tor lebten 2010 von Hartz IV, berlinweit sind es 37 Prozent.

Das südliche Ende der Friedrichstraße in Kreuzberg liegt abseits der bekannten Shoppingstrecke in Mitte. Die schwarze Mauer der mazedonischen Künstlerin Nada Prlja soll auf die sozialen Probleme dahinter aufmerksam machen.
Das südliche Ende der Friedrichstraße in Kreuzberg liegt abseits der bekannten Shoppingstrecke in Mitte. Die schwarze Mauer der mazedonischen Künstlerin Nada Prlja soll auf die sozialen Probleme dahinter aufmerksam machen.

© dpa

„Sie erreichen mit dieser Mauer, dass Sie diese Ecke erst recht sterben lassen“, ruft Hendrike Ehlers aus dem Publikum. Die Schuhmacherin ist verärgert. „Seit das Ding steht, kommt ein Drittel weniger Kunden, mir bricht der Umsatz ein“. Ihr Laden befindet sich in der Ecke zur Hedemannstraße, die man mit dem Auto nur noch über die Wilhelmstraße erreicht. „Allerdings“, meint Florian Schmidt, Leiter des Projektbüros Kreativquartier Südliche Friedrichstadt, „spiegelt diese Meinung nicht unbedingt die Mehrheitsverhältnisse im Kiez wider.“ Es gebe auch Gewerbetreibende, die das Projekt unterstützen. Von denen war aber keiner gekommen. Dem Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), war klar, dass die Installation provozieren würde, „schon weil sich einige an die Berliner Mauer erinnert fühlen dürften“. Aber er halte die Debatte um die sozialen Unterschiede für wichtig.

Sollte die Installation wie geplant bis zum 1. Juli stehenbleiben, wollen die Mauergegner juristisch dagegen vorgehen. Bis dahin bleibt Kreuzberg auch meinungstechnisch gespalten.

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