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Berlin: Frist verpasst

Klage Berlins zum Reichsvermögen abgewiesen 680 Hektar Immobilien bleiben beim Bund

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Berliner Senat hat nach der Vereinigung Deutschlands eine wichtige Frist versäumt – das kommt die Hauptstadt nun teuer zu stehen. Das ehemalige Reichsvermögen im Westteil Berlins, etwa 680 Hektar Grundstücke im Wert von 226 Millionen Euro, bleiben im Eigentum des Bundes. Das entschied gestern das Bundesverfassungsgericht und wies damit eine Klage des Landes Berlins vom 7. Dezember 2005 ab.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bedauerte den Beschluss. Offenbar seien Anfang der neunziger Jahre juristische Fehler gemacht worden. Dass nach dem 3. Oktober 1990 nur ein Jahr Zeit gewesen sei, die Ansprüche Berlins auf das frühere Reichsvermögen geltend zu machen, sei damals allerdings weder dem Land noch dem Bund klar gewesen. Etwa zwei Drittel der Flächen, auf die Berlin nach dem Karlsruher Urteil verzichten muss, liegen im Bereich der Flughäfen Tempelhof und Tegel – ehemaliges Militärgelände, das 1873 unentgeltlich dem Deutschen Reich zur Verfügung gestellt wurde.

Direkte Auswirkungen hat das Urteil auf die Verhandlungen des Senats mit dem Finanzministerium über die Bundesgrundstücke auf dem Tempelhofer Feld. Sie werden nicht übereignet, der Senat muss kaufen. Jetzt greift die Vereinbarung, die Ende 2007 in Zusammenhang mit der Hauptstadtfinanzierung abgeschlossen wurde. Weil sich beide Seiten nicht auf den Kaufpreis für die Flughafenimmobilien einigen konnten, wird Anfang März ein unabhängiger Gutachter eingeschaltet. Bis zur Schließung des Airports Tempelhof am 31. Oktober soll der Kaufvertrag rechtskräftig sein. Anschließend will der Senat das Gelände „aus einer Hand“ entwickeln und vermarkten.

Was der Bund mit seinen Grundstücken in Tegel macht, wenn der zweite innerstädtische Flughafen 2011 geschlossen wird, ist völlig unklar. Das übrige Reichsvermögen birgt weniger Konfliktpotenzial: etwa die Beseler Kaserne in Spandau, die seit Jahren vor sich hin rottet. Oder die früheren Kasernengelände am Mehringdamm (Kreuzberg) und an der Invalidenstraße (Tiergarten), Grundstücke an der Hasenheide oder der alte Garnisonsfriedhof (beides Neukölln).

Die westdeutschen Länder haben ihre Alt-Immobilien – auf Grundlage des Reichsvermögensgesetzes von 1961 – schon vor Jahrzehnten zurückbekommen. Die ostdeutschen Länder (auch Ost-Berlin) durch den Einigungsvertrag von 1990. Nur West-Berlin blieb außen vor. Wegen der alliierten Vorbehalte galt das Reichsvermögensgesetz nicht. Außerdem enthielt das Bundesgesetz selbst eine Klausel, die eine „besondere Regelung“ für Berlin in Aussicht stellte. Zu gegebener Zeit.

Auf diese Sonderregelung hat das Land Berlin seit 1990 gewartet. Vergeblich, trotz der Hilfe der anderen Länder, die eine Bundesratsinitiative des Senats 2003 unterstützten. Der Bundestag hielt gegen, die Bundesregierung auch. Sie verwiesen auf das Reichsvermögensgesetz, das den Ländern nur ein Jahr Zeit gab, ihre Ansprüche geltend zu machen. Der Senat erhob Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Das zog einen klaren Strich: Mit dem Wegfall der alliierten Vorbehaltsrechte durch das 6. Überleitungsgesetz sei Berlin am 3. Oktober mit dem übrigen Bundesgebiet gleichgestellt worden. Nach Ablauf der einjährigen Antragsfrist seien die Ansprüche Berlins erloschen. Ulrich Zawatka-Gerlach

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