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Berlin: Fristlos entlassen: Chefarzt soll Patienten betrogen haben

Im Lankwitzer St. Marien-Krankenhaus ist ein Chefarzt in Verdacht geraten, seine Patienten mit falschen Rechnungen betrogen zu haben.

Im Lankwitzer St. Marien-Krankenhaus ist ein Chefarzt in Verdacht geraten, seine Patienten mit falschen Rechnungen betrogen zu haben. Die Klinikleitung reagierte prompt: Sie entließ den medizinischen Leiter der Allgemeinchirurgie fristlos und erstattete Strafanzeige. Dem Mediziner droht nun der Entzug der Approbation.

Peter S. gehörte seit fast sieben Jahren zum Kollegium des St. Marien-Krankenhauses. Wie allgemein üblich, war es dem Chefarzt erlaubt, sich in der Klinik Privatpatienten anzunehmen und die Behandlung im eigenen Namen abzurechnen. Obwohl es für Laien nicht einfach ist, die oft seitenlangen Rechnungen zu überprüfen, fiel Peter S. offenbar auf. Nachdem sich Privatpatienten bei der Klinikleitung beschwert hatten, verhärteten Stichproben den Verdacht. "Offenbar hat der Chefarzt wahlärztliche Leistungen abgerechnet, obwohl dies aus verschiedenen Gründen nicht hätte geschehen dürfen", sagt Klaus Güntherberg, Anwalt des St. Marien-Krankenhauses.

Wer privat versichert ist, kann sich im Krankenhaus den Chefarzt bekanntlich aussuchen. Rein theoretisch gibt es zahlreiche Möglichkeiten, einen Patienten zu betrügen. Beispielsweise kann ein Chefarzt nie erfolgte Untersuchungen in den langen Rechnungstabellen unterschummeln. Er kann darin einfache Untersuchungen als kompliziert auspreisen. Oder die erlaubte Ausnahme zur verbotenen Regel machen und eine Schar von Oberärzten als Stellvertreter für sich arbeiten lassen. "Diese Praxis scheint in den Kliniken gang und gäbe zu sein", sagt Jörg Engelhard, Kriminalhauptkommissar der Ermittlungsgruppe "Medicus", die 1997 gegen den Abrechnungsbetrug von Ärzten eingesetzt wurde. Allein in im ersten Halbjahr 2001 zählte Medicus 130 Verdachtsfälle.

Unter den Chefärzten sei es für die Polizei aber schwierig, die schwarzen Schafe der Branche ausfindig zu machen. "Da gibt es einen Fehler im System", sagt Engelhard. Denn die Krankenhäuser verdienen ebenfalls an dem Geschäft mit den Privaten: Für die Nutzung der Infrastruktur müssen die Chefärzte von ihren Einkünften einen Anteil zwischen 30 und 70 Prozent abgeben. Nicht zuletzt deshalb seien die meisten Kliniken nicht sonderlich daran interessiert, ihre Mediziner auffliegen zu lassen. Peter S. aber wurde zum 3. Dezember fristlos entlassen. "Das ist eine ganz seltene Sache bei uns", sagt Engelhard.

Vielleicht ist Peter S. zu weit gegangen. Laut Rechtsanwalt Güntherberg hat der Chefarzt der Chirurgie mit seinen falschen Abrechnungen nicht nur den Privatpatienten finanziell geschadet, "sondern auch Chefarztkollegen und Krankenhaus". Offenbar verdächtigt die Klinik den Mediziner, öfter von Kollegen - einem Kardiologen oder Anästhesisten etwa - Hilfe eingeholt, deren Leistungen aber auf die eigene Rechnung gesetzt zu haben. "Nach den Abrechnungen des Chefarztes müsste jeder Tag 28 Arbeitsstunden haben", sagt Güntherberg.

Derzeit lässt sich laut Klinik der Schaden noch nicht absehen, da nicht alle Rechnungskopien von Peter S. vorliegen. "Jedenfalls wird ein Großteil seiner Privatliquidationen hiervon betroffen sein", sagt der Anwalt. Gegenüber der Klinikleitung habe Peter S. bereits Fehler in den Abrechnungen zugegeben. Das Teilgeständnis genügte dem Krankenhaus nicht: Es stellte Strafanzeige, informierte die Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung. Laut Güntherberg erwartet den Chefarzt nichts Gutes: "Bei ähnlichen Fällen hat man ganz streng reagiert."

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