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Berlin: Frohe Botschaft für die Gemeinden: Kirchen voll wie selten

Gedächtniskirche und Dom wegen Überfüllung geschlossen Berliner suchen Trost in schwierigen Zeiten, sagen Geistliche

Bis auf den letzten Platz gefüllte Bänke, Gedränge bis an den Altar: Schon seit Jahrzehnten war es in Berlins Kirchen nicht mehr so voll wie während der Weihnachtsfeiertage 2002. Große Gotteshäuser in der City wie der Berliner Dom und die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mussten die Türen sogar vorzeitig schließen, weil der Besucherandrang nicht bewältigt werden konnte. Viele Menschen suchen auch wegen der Kriegsgefahr im Irak zunehmend Trost und Hoffnung im Glauben, berichten Pfarrer aus der ganzen Stadt. Es war ein stilles und friedliches Weihnachtsfest – und auch für Polizei und Feuerwehr.

„Wir waren Weihnachten im Ausnahmezustand“ – so formuliert es hingegen Michael Gerke von der Evangelischen Kirche zu Wartenberg in Hohenschönhausen. Die Gemeinde freut sich über steigenden Zuspruch: „Die Leute sind auf der Suche nach Besinnlichkeit und Antworten auf ihre Fragen.“ Regelrechte Warteschlangen bildeten sich auch vor der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz. „Bei uns war es rappelvoll“, berichtet Pfarrerin Sylvia von Kekulé. 800 Stühle wurden für die Festtagsgottesdienste aufgestellt, doch während der Andacht mit Generalsuperintendent Martin-Michael Passauer drängten sich sogar 1000 Besucher im Gotteshaus. Unzählige Interessenten mussten vertröstet werden, etwa auf den Silvestergottesdienst um 18 Uhr.

Andrang wie in Geschäften an den verkaufsoffenen Sonnabenden gab es auch am Berliner Dom in Mitte. Am heiligen Abend begann die erste Christvesper um 15 Uhr – doch schon eine halbe Stunde vorher „mussten wir die Türen wegen Überfüllung und aus Sicherheitsgründen schließen“, sagt Markus Bräuer, der persönliche Referent von Bischof Wolfgang Huber. Zahlreiche Berliner, aber auch Touristen verfolgten den Gottesdienst über Lautsprecher in der Kälte.

Auf die so genannten Weihnachts-Christen, die eine Kirche genau einmal im Jahr von innen sehen, stellen sich die Gemeinden zwar stets ein – doch der Zuspruch war noch größer als erwartet. „In Zeiten wie diesen, in denen die Menschen aufgrund wirtschaftlicher und politischer Ereignisse verunsichert sind, suchen sie eben in der Kirche Ruhe und Geborgenheit“, meint Bräuer.

Auch Bischof Huber machte den potenziellen Irak-Krieg in seinen Predigten zum Thema. „Gottesdienste sind einfach Balsam für die Seele“ – so sieht es Pfarrer Gabriel Straka von der Kreuzberger Christuskirche. Mehr Besucher als sonst auch hier, und einige Ex-Berliner kamen sogar 50 Kilometer aus dem Brandenburgischen bis in die Dieffenbachstraße 39.

Gleich mehrere Motive hat Hanna Renate Laurien parat, Mitglied der Lankwitzer Mater-Dolorosa-Gemeinde – und im Zentralkomitee Deutscher Katholiken. Neben der Sorge um einen Irak-Krieg bewege viele auch die Diskussion um die Bio-Medizin. „Mir sagen Kirchgänger zudem, dass sie Trost suchen wegen der Situation in Israel.“ Ganz persönliche Hintergründe macht Pfarrer Hartmut Scheel von der Sophienkirche in Mitte aus: „Unsere Gemeinde wird vor allem deshalb ständig größer, weil Eltern ihren Kindern ein Wertegefüge bieten möchten.“

„Manche Besucher sagen schlicht und einfach, dass Beten ja nicht schaden kann“, berichtet Lothar Faßhauer vom Vorstand der Katholisch-Apostolischen Gemeinde Berlin-Nord. Er betrachtet Saison-Kirchengänger mit gemischten Gefühlen: „Der liebe Gott ist doch nicht nur für Notzeiten da.“

Annette Kögel

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