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Berlin: Frohes Fest – Mutlu Noel Bayrami

Sprühschnee an den Fenstern, Lichterketten an den Rahmen, das ist längst nicht typisch deutsch: Auch in den türkischen Familien wird heute der Weihnachtsmann erwartet und gefeiert

Was es an Adventsdekoration gibt, hängt an Fassaden und Balkonen, in Fenstern und an Türen. Auch in Kreuzberg, zwischen Mariannenplatz und Kottbusser Tor, weihnachtet es sehr. Da, wo Berlin am türkischsten ist.

Vor allem die muslimischen Zeitungs- oder Telefonladen-Besitzer oder die arabischen Inhaber italienischer Pizzerien haben ihre Schaufenster und Regale festlich geschmückt, viele haben einen künstlichen Tannenbaum aufgestellt.

Vedat Cesur hat sein Restaurant „Taksim“ mit Lichterketten behängt und mit Kunstschnee dickbäuchige Weihnachtsmänner, Sterne und Geschenkkartons an die Scheiben gesprüht. „Ich habe viele deutsche Kunden“, sagt Cesur. „Die sollen sehen, dass wir bei ihrem Fest mitmachen.“ Ihr Fest, sagt er. Dabei hat sich Weihnachten als Anlass zum Feiern inklusive Weihnachtsmann und -baum auch bei vielen Türken längst durchgesetzt. Wegen der Kinder, sagen sie.

„Die Familien sollten ihren Kindern erzählen, dass der Weihnachtsmann in der Türkei gelebt hat und ein gutmütiger Mann war, der Kinder beschenkt hat“, sagt die Kreuzbergerin Nuran Kazak, die gerade mit einer kleinen Frauengruppe in das türkische Juweliergeschäft in der Orientpassage in der Kottbusser Straße gekommen ist. Denn der Weihnachtsmann ist kein Christkind in anderer Gestalt, sondern eine Fortentwicklung des Nikolaus, eines Heiligen aus der antiken Stadt Myra – also aus der heutigen Türkei. Das heute übliche Bild des rot gewandeten, pausbackigen Weihnachtsmanns ist dagegen die Erfindung der Coca-Cola-Company. Aber das interessiert Nuran Kazak nicht, genauso wenig wie ihre 13-jährige Tochter Zahide und deren Freundinnen.

„Wir nehmen die ganze Palette an Traditionen durch“, sagt Gülay Celiker (31), die mit ihrer Tochter Gizem am Halleschen Tor wohnt. Bei ihr sind die Fenster geschmückt, Plätzchen wurden gebacken, und der Tannenbaum ist schon gekauft. „Die Kinder bekommen das in der Schule mit und fragen, ob der Weihnachtsmann auch zu ihnen kommt. Man sollte sie nicht enttäuschen“, sagt auch ihre Schwester Esma Öztürk, die Rechtsberaterin bei der Krankenversicherung AOK ist. An ihrer Wohnungstür in Tiergarten hängt ein Weihnachtskranz. „Ich finde diese Tradition einfach schön“, sagt sie.

Auch Restaurantbesitzer Vedat Cesur macht das Fest gerne mit, obwohl er erst als Erwachsener nach Berlin gekommen ist. „Ich habe einen Tannenbaum gekauft und geschmückt, weil meine elfjährige Tochter an den Weihnachtsfeiertagen Besuch von ihren deutschen Freundinnen bekommt“, sagt er. „Da soll sie ihnen in nichts nachstehen.“ Deshalb werde sie auch genau wie die deutschen Kinder beschenkt. Wegen ihr ist er vor knapp zehn Jahren von Kreuzberg nach Alt-Mariendorf gezogen, in die Nähe einer musikbetonten Schule – und mitten rein in eine überwiegend deutsche Nachbarschaft.

Sogar in der Türkei feiern zumindest in den größeren Städten einige Familien inzwischen auch Weihnachten – ein Zeichen des zunehmenden westlichen Einflusses. Das Fest heißt auf türkisch „Noel“. In Istanbul werden künstliche Tannenbäume aufgestellt, und man beschenkt sich gegenseitig.

Und dann gibt es noch ein paar Türken, für die das Fest die gleiche Bedeutung wie für die Deutschen hat. Nebil Gökmen, dem der Juwelier-Laden in der Orient-Passage gehört, zum Beispiel. Seine Frau und er sind evangelischen Glaubens, die Tochter ist getauft. Die Familie wird am heutigen Heiligabend sogar in eine der Weihnachtsmessen in einer Kirchen in Kreuzberg gehen.

Suzan Gülfirat

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