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Berlin: Frühes Fetenfieber

After-Work-Partys erleben eine Renaissance Clubs locken mit billigen Eintrittspreisen

Manchmal braucht es einen zweiten Anlauf. Als Mitte der 90er Jahre die Mode der After-Work-Partys maßgeblich aus Großbritannien nach Deutschland kam, setzte sich der Trend in Berlin nicht so recht durch. Traditionell geht man in Berlin erst zu vorgerückter Stunde aus; anders als zum Beispiel in Großbritannien, von wo die Idee der Feierabend-Feten stammt. Dort gibt es die Sperrstunde, und wer feiern will, muss früh anfangen. Der Anblick von um 21 Uhr prall gefüllten Tanzflächen inspirierte dann wohl auch deutsche Partymacher.

Jetzt lebt die Idee des Tanzens im Anschluss an den Tag im Büro wieder auf – vielleicht, weil die Nachtschwärmer von damals nun etwas gesetzter geworden sind und das Ausschlafen einer durchzechten Nacht vorziehen. Veranstaltet werden die neuen After-Work-Feten von Partymachern, die sich im Ausland umgeschaut haben. Zum Beispiel Marc de Kergariou, Leiter der Peugeot Avenue Unter den Linden. Der gebürtige Franzose ist vor einem Jahr aus Kroatien hergezogen. „Dort boomen die After-Work-Partys“, sagt er. Seit Januar veranstaltet er im „Café de France“ jeden letzten Donnerstag im Monat die „Avenue Lounge“. Ab 18.30 Uhr kann hier jeder kommen, der Eintritt ist frei. Es gibt französische Häppchen, und DJ Phonique beschallt die Tanzfläche. Seit dem ersten Abend ist die Empore des Peugeot-Showrooms jedes Mal gut gefüllt. Junge Menschen um die 30 aus den umliegenden Ministerien, Werbeagenturen, diplomatischen Vertretungen und Beraterfirmen treffen sich hier, führen auch mal das eine oder andere berufliche Gespräch zu Ende. 400 Gäste sind es den Abend über, spätestens ab 22 Uhr wird getanzt. „Hier in der Umgebung hat das auf jeden Fall gefehlt“, sagt die 28-jährige Alexandra Kotlebova, die sich gerade auf der Tanzfläche amüsiert. Ihr gefällt die Mischung aus Veranstaltungsort, Menschen und Musik. Ebba Scholl, 33, arbeitet auch in der Gegend. Sie läutet mit der Donnerstagsparty das Wochenende ein: „Es ist dann nicht mehr so lange bis dahin.“

Ein paar Querstraßen weiter probiert Dominic von Werthern, Geschäftsführer des Felix in der Behrenstraße 72, das Konzept seit Herbst 2004 erfolgreich aus. „Ich habe lange in New York und London gelebt, da ist das gang und gäbe“, sagt er. Vor allem würden die Menschen auf After-Work-Partys mit guter Laune erscheinen. Das, glaubt er, liegt am Geheimnis dieser Feten: Es herrscht kein Feierzwang. Jeder bleibt so lange er will, sei es eine Stunde oder sieben, niemand muss tanzen oder schick aussehen.

Das Ungezwungene ergibt sich auch aus der Auswahl des Publikums. „Hier trifft man niemanden, der 17 Jahre alt ist und noch zur Schule geht“, sagt Norman Hertrampf, 23 Jahre, der im Felix einen Geburtstag mit Arbeitskollegen feiert. Hier ist alles eine Nummer größer als in der Peugeot Avenue. Rund 1500 Menschen kommen und gehen den Abend über, ab 19 Uhr erscheinen die Bürogänger, die bis 0.30 Uhr bleiben. Szenegänger trudeln gegen 23 Uhr ein und beenden die Party gegen 4 Uhr morgens. Gegen 21.30 Uhr sitzen die Gäste unten im Restaurantbereich beim Nachtisch oder Espresso, ein paar Meter vor ihnen wird schon getanzt.

Auch hier ist das Durchschnittsalter etwa 30 Jahre, man sieht Männer im Anzug und Frauen im Businesslook, andere haben sich sichtlich für den Abend aufgebrezelt. Oliver Neffke, 36, Architekt, ist mit einem Kollegen da, der ihn überredet hat. „Es ist eine Abwechslung zu den hippen Partys.“ Und da die sich ständig ändernde Partystadt Berlin immer nach neuen Ideen hungert, findet er, stecke im Konzept der After-Work-Clubs noch Potenzial. Vorausgesetzt, es finden sich weiter genügend Leute, die ihre Anzüge nach jeder Fete in die Reinigung geben.

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