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FÜNF  MINUTEN  STADT: Ausgesetzt

Die Sonne scheint an diesem Sonntagnachmittag, aber es ist ziemlich kühl in dem kleinen Park hinter dem Tempodrom. Eine Frau um die 50 läuft Richtung Straße, weinend.

Die Sonne scheint an diesem Sonntagnachmittag, aber es ist ziemlich kühl in dem kleinen Park hinter dem Tempodrom. Eine Frau um die 50 läuft Richtung Straße, weinend. Ihr Hund, eine wuchtige, kurzbeinige Promenadenmischung, springt wild bellend an ihr hoch. „Aus“, ruft sie immer wieder. Der Hund gehorcht nicht. Unter ihrer Jacke bewegt sich etwas. „Können sie bitte meinen Hund festhalten?“, fleht sie zwei Spaziergängerinnen an. Die Frau zeigt ihnen, was sie unter der Jacke auf dem Arm trägt: ein zitterndes Meerschweinchen. „Da hinten ist noch eins, unterm Busch.“ Und wirklich kauert da ein geflecktes Tier, ziemlich groß und vollkommen deplatziert in der Stadtnatur. „Die hat jemand ausgesetzt. Die überleben hier doch nicht lange.“ Die Frau schluchzt fast. Die beiden Spaziergängerinnen versuchen das zweite Meerschweinchen zu fangen. Doch der Hund hetzt es tiefer in die Büsche. Schließlich hechtet eine der Spaziergängerinnen nach vorn und kann es packen. Es strampelt und schreit, laut und hoch. Fast wie ein Mensch. Der Hund bellt und geifert. „Wollen sie es behalten?“, fragt die Hundebesitzerin. „Nein, nein“, wehrt die Spaziergängerin ab und übergibt es vorsichtig. Die Hundebesitzerin versenkt es in ihrer abgewetzten weißen Handtasche, wohin sie in der Zwischenzeit schon das andere verstaut hat. „Einen schönen Tag noch“, ruft sie zum Abschied. Der Hund an ihrer Seite starrt bellend auf die Tasche. Daniela Martens

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