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FÜNF  MINUTEN  STADT: Empfindsame Sanierer

Bei einer Gewerberaumsuche in der Großbeerenstraße in Kreuzberg habe ich Milan kennengelernt, der von sich sagt, dass er mein Vater sein könnte. Er kommt aus einem Vorort in Belgrad, „das serbische Zehlendorf“, sagt Milan.

Bei einer Gewerberaumsuche in der Großbeerenstraße in Kreuzberg habe ich Milan kennengelernt, der von sich sagt, dass er mein Vater sein könnte. Er kommt aus einem Vorort in Belgrad, „das serbische Zehlendorf“, sagt Milan. Er ist Komplettsanierer, „auch Einbau von Kühlung“. Und er hat die Kosten im Blick: „Was soll das mit dem Parkett überall, als Boden einfach für 3 Euro Laminat, wenn’s zerkratzt, einfach neues nehmen.“ Und während wir sprechen, steht er in der Tür des Ladenbüros, das er gerade saniert, weiß bestaubt, rauchend. Da habe ich ihn auch angesprochen. Ob der Laden schon vermietet sei. Ja, aber er wüsste noch einen anderen, eine ehemalige Pizzeria in Neukölln. Stehe seit einem Jahr leer, weil der Besitzer ein guter Freund des Ex-Mieters sei, der noch dran hänge, und dem der Besitzer nicht durch eine Neuvermietung wehtun will. Es gibt also auch empfindsame Immobilienbesitzer. Milan scheint sich auszukennen, also frage ich nach seinen Kontaktdaten. „Ich habe keine Visitenkarte, aber hast du Papier?“ Er zückt einen Adressstempel und drückt ihn in meinen Kalender. Der Stempel schmiert. „Kannst du das lesen? Lies mal vor und schreib dir die Nummer noch mal selbst hin.“ Ich lese und schreibe und sage, dass ich mich melden werde. „Keine Angst, ich rufe nicht zurück“, beschwichtigt er. Er will nicht mit mir flirten, ich könnte ja seine Tochter sein. „Und wenn ich nicht drangehe, bin ich grad im Keller.“Nikola Richter

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