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FÜNF  MINUTEN  STADT: Piep-piep-piep

Eine ruhige Straße in Kreuzberg, an einem sonnigen, aber kühlen Sonntagabend. Vor einer Eisdiele sitzt ein gutes Dutzend Leute, Eltern mit ihren Kindern, darunter ein etwa zehnjähriges Mädchen in quietschgelber Regenjacke.

Eine ruhige Straße in Kreuzberg, an einem sonnigen, aber kühlen Sonntagabend. Vor einer Eisdiele sitzt ein gutes Dutzend Leute, Eltern mit ihren Kindern, darunter ein etwa zehnjähriges Mädchen in quietschgelber Regenjacke. Sie hat ihr Eis schon aufgeschleckt und steht jetzt unter einem der niedrigen Straßenbäume, blickt hoch ins Geäst und ruft: „Piep-piep-piep!“ Ein Vogel ruft zurück: „Piep-piep-piep!“ Das Mädchen umrundet den Baum und piept weiter, immer wieder, unermüdlich. Eine schlanke, schöne junge Frau mit langen braunen Locken, mit Bleistiftrock, Bluse und Pumps, sitzt auch vor dem Eisladen, zusammen mit einer Gruppe von Freunden, ihr Baby auf dem Arm. Ein junger Mann mit Brille, Typ Geschichtsstudent, kommt dazu, er trägt einen alten gepolsterten Stuhl unter dem Arm. Den habe er gerade an der Straße gefunden, verkündet er: „Nur der Sitz ist etwas durchnässt.“ Die junge Mutter strahlt plötzlich und beginnt zu kichern: „Oh, du hast eine Stuhlprobe mitgebracht!“ Der Geschichtsstudent lächelt etwas gequält. Sie setzt noch einen drauf: „Hihi, Stuhlprobe! Hellbrauner Stuhl, dunkelbrauner Stuhl, schwarzer Stuhl – das gibt’s alles auch bei uns in der Praxis!“ Sie kichert weiter, kann gar nicht mehr aufhören, erklärt dann: „Ich hab’ eine Kugel Prosecco-Eis intus.“ Das Mädchen in der gelben Regenjacke läuft noch immer um den Baum herum und piept. Daniela Martens

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