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FÜNF  MINUTEN  STADT: Standardsituation?

Montagabend, Berliner Derby, Mitte der zweiten Halbzeit. Einen Kopf zu haben ist für den jungen Mann aus Block F vor allem deshalb eine prima Sache, weil er eine rot-weiße Bommelmütze an ihm befestigen kann.

Montagabend, Berliner Derby, Mitte der zweiten Halbzeit. Einen Kopf zu haben ist für den jungen Mann aus Block F vor allem deshalb eine prima Sache, weil er eine rot-weiße Bommelmütze an ihm befestigen kann. Ansonsten taugt das Ding zu nix, wie sich später erweisen wird. Noch aber sind Kopf und Mann friedlich: der Abend bis dato ein runder Plunder, zwei Tore für Union, der junge Mann euphorisch pulsierend, flatterndes Gaumensegel.

Dann kommt die Hertha, kommen Ronny und Ramos und kombinieren sich durchs Mittelfeld. „Immer diese Neger“, ruft der junge Mann nun, empörte Blicke auf sich ziehend, er selbst: schenkt sich ein Grinsen.

Das beste Argument gegen Antisemiten sind – nach Woody Allen – Baseballschläger. Für den Rassisten aus Block F reichen blau-weiße Standardsituationen. Eckball Ronny, Kopfball Ramos, Anschlusstreffer. Das Spiel kippt, der junge Mann in Sorge, „grätsch den Neger weg“, sein gebrüllter Appell. Union foult, Ronny schießt den Freistoß, unhaltbar. Ausgleich in der 86. Minute, Entsetzen beim jungen Mann. Vier verbleibende Minuten können lang werden, Ronny und Ramos ist alles zuzutrauen, „Achtung, da kommen sie wieder“, ruft er, nun weinerlich. Und dann: „Was seid ihr bloß für Menschen?“, ein letzter panischer Schrei, der hier jedem gelten könnte, dann Schluss und Abmarsch, Mütze gesenkt.Tiemo Rink

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