zum Hauptinhalt

Berlin: Fünf Stunden Däumchendrehen

Bürgerämter sollen vor allem Service bieten. Doch Antragsteller müssen dort vor allem eines: warten. Das Personal ist knapp – und Besserung nicht in Sicht

Wenn der Ansturm auf das Bürgeramt im Rathaus Tiergarten zu groß wird, muss das gelbe Schild her: „Zurzeit werden keine Wartenummern ausgegeben“. Auch in der vorigen Woche war diese Notmaßnahme wieder fällig, am Mittwoch sogar schon um 12 Uhr. Nur eine Stunde nach Dienstbeginn warteten bereits 122 Bürger darauf, zu einem der fünf Sachbearbeiter an den Bildschirm-Arbeitsplätzen vorgelassen zu werden. Geschätzte Wartezeit: knapp fünf Stunden. Denn laut einer Faustregel des Amtes schafft es ein Sachbearbeiter, fünf Bürger pro Stunde zu bedienen.

Mit langem Warten muss auch in den anderen beiden Bürgerämtern in Mitte gerechnet werden. Vier oder fünf Stunden seien zwar „die absolute Ausnahme“, sagt der für alle Standorte zuständige Amtsleiter Ronald Schäfer. Etwa zwei Stunden Geduld müssten Besucher zu Stoßzeiten jedoch aufbringen.

Ähnlich sieht es in Friedrichshain-Kreuzberg aus. Auch hier muss man durchschnittlich zwei Stunden warten. Im Amt an der Yorckstraße standen an einem Tag der vergangenen Woche schon bei Öffnung 125 Leute Schlange. Amtsleiterin Sieglinde Häntzschel und ihr Kollege Schäfer aus Mitte erkennen zwei Hauptgründe für so viel Belastung: Zum einen hätten viele Berliner, die in anderen Bezirken wohnen, ihren Arbeitsplatz in der Innenstadt. Sie kämen vor oder nach der Arbeit oder aber in der Mittagspause in die Bürgerämter – etwa, um den Ausweis zu verlängern. Außerdem lebten dort viele Ausländer und Berliner nicht deutscher Abstammung.

Hinzu kommt die Personalknappheit. Am Standort Tiergarten etwa gibt es 18 Mitarbeiter. In den vergangenen Tagen standen lediglich sieben zur Verfügung, von denen zwei den Informationsschalter am Eingang besetzten. Für die Antragsbearbeitung blieben also nur fünf Mitarbeiter. „Durch die permanent starke Belastung haben wir eine hohe Krankheitsquote“, sagt Schäfer. Derzeit fehlt ein Teil der Beschäftigten auch wegen Schulungen an einem neuen Computersystem. In Friedrichshain-Kreuzberg will das Bezirksamt am morgigen Dienstag beschließen, dass zusätzliche Mitarbeiter aus anderen Bereichen des Bezirks das 50-köpfige Team in den Bürgerämtern verstärken sollen.

Viele Warteräume wären noch voller ohne einige Methoden zur Arbeitsbeschleunigung. So haben die meisten Bezirke keine Automaten mehr, an denen sich Besucher ohne vorherige Beratung ihre Wartenummern ziehen. In manchen Ämtern gibt es auch „Schnellschalter“ für Vorgänge, die erfahrungsgemäß nicht länger als fünf Minuten dauern. Außerdem wird die Wartenummern-Ausgabe zwar gestoppt, jedoch höchstens bis zum späten Nachmittag – damit Berufstätige die Chance haben, noch bedient zu werden. Darüber hinaus bieten alle Ämter individuelle Terminvereinbarungen an. In Pankow und anderen Bezirken gibt es eine zentrale Telefoneinwahl. In Friedrichshain-Kreuzberg wird sie am kommenden Mittwoch eingerichtet. Die Sprechstunden-Mitarbeiter müssen dann nicht mehr ans Telefon gehen. In Pankow beträgt die Wartezeit nach Auskunft des Amtes nur „im Extremfall“ bis zu 90 Minuten. Der Durchschnitt liege bei 30 Minuten in Karow, 30 bis 45 Minuten im Rathaus Pankow und bis zu einer Stunde in Prenzlauer Berg.

In den drei Bürgerämtern des westlichen Citybezirks Charlottenburg-Wilmersdorf dauern die Wartezeiten bis zu eineinhalb Stunden. Am schnellsten gehe es an der Heerstraße, sagt die Leiterin des Amtes für Bürgerdienste, Mechthild Bloch. „Dort kommt man in der Regel nach zehn Minuten dran.“ Mit dem größten Andrang sei immer am Donnerstagnachmittag zu rechnen. Kürzere Wartezeiten gebe es erfahrungsgemäß am Dienstagnachmittag sowie mittwochs und freitags. Wenn in Mitte oder anderswo die Nummernausgabe gestoppt wird, „macht sich das bei uns bemerkbar“, heißt es in der City-West. Dann fahren Bürger zu den Rathäusern in Charlottenburg und Wilmersdorf. Dort hat Stadtrat Joachim Krüger (CDU) den Ämtern untersagt, die Nummernausgabe zu unterbrechen.

Stundenlanges Warten in den Ämtern hält der Verwaltungsreform-Experte der CDU-Fraktion, Matthias Wambach, für unzumutbar. In solchen Fällen stelle sich die Frage, ob nicht die Öffnungszeiten den Kundenströmen angepasst werden müssen. Dafür seien aber Kundenbefragungen nötig. Eine berlinweite Umfrage in den 61 Bürgerämtern erfolgte im März; die Ergebnisse sollen in der zweiten Jahreshälfte vorliegen.

Peter-Rudolf Zotl von der PDS kritisiert, die Bezirksbürgermeister hätten sich bei der Personalbemessung an der Zahl der Einwohner und nicht an den zu bearbeitenden Fällen orientiert. Das Problem ist laut Zotls erkannt, bisher aber nicht gelöst. Einige Verwaltungsexperten rechnen mit keiner Neuregelung. Diese sei in Bezirken, die Mitarbeiter abgeben müssten, nicht durchsetzbar. Dennoch rechnet Kirsten Flesch von der SPD mit einer Besserung ab dem nächsten Jahr. Dann nämlich werden die Fälle im Haushalt richtig berechnet. Und entsprechend könne dann das Personal zugewiesen werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false