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Berlin: Fünfzig Stellen offen – die Charité findet keine Ärzte

Kaum ein Mediziner bewirbt sich noch in den großen Kliniken. Denn der Job im Krankenhaus ist hart und die Arbeitszeiten sind lang

Die Charité schlägt Alarm. 50 Medizinerstellen sind in dem Berliner Uniklinikum nicht besetzt – von rund 900. „Es fehlt an qualifizierten Bewerbern“, sagt der Dekan der Charité, Joachim Dudenhausen. Eine ungewohnte Situation für das renommierte Krankenhaus. „Früher hatten wir durchschnittlich acht Bewerber pro Stellenausschreibung, jetzt sind es oft nur ein oder zwei.“ Die Versorgung der Patienten sei aber nicht gefährdet, versichert der Dekan. Wenn man wegen Überlastung mal etwas unerledigt lassen müsse, dann werde das der Papierkram sein, nicht aber die Krankenversorgung.

Doch nicht nur die Charité leidet unter einem Bewerbermangel. Generell geht in Deutschland das Interesse der Ärzte an Krankenhausjobs zurück. „Der Markt ist sehr eng geworden“, sagt Fina Geschonneck, Sprecherin des landeseigenen Vivantes-Konzerns, einem Konglomerat aus neun ehemals städtischen Kliniken. Und je qualifiziertere Ärzte man suche, desto enger werde es. Tatsächlich ist von Insidern zu hören, dass Vivantes Probleme habe, frei werdende Stellen für Chefärzte und Klinikdirektoren neu zu besetzen. So sucht die Vivantes-Geschäftsführung seit einem dreiviertel Jahr ohne Erfolg nach einem Direktor für ihr Zentrum zur Behandlung von Brustkrebs, das am Kreuzberger Urban-Klinikum entstehen soll. Auch für andere Posten wird nach qualifiziertem Nachwuchs gefahndet – selbst in den entlegensten Abteilungen der Vivantes-Kliniken. Und im Steglitzer Uniklinikum Benjamin Franklin hat man es mittlerweile fast aufgegeben, freie Stellen für Kinderchirurgen und Strahlenmediziner besetzen zu wollen. „Der Markt für diese Spezialisten ist leergefegt“, sagt Verwaltungsdirektor Peter Zschernack.

Der Arbeitsmarkt für Mediziner entwickelt sich gegen den Trend. Die Stellenrubriken in den Ärzte-Fachblättern werden immer umfangreicher. Denn es gibt zu wenig Nachwuchs. Nur 70 Prozent der Medizinstudenten arbeiten später einmal in Deutschland mit Patienten, sagt der Berliner Ärztekammerpräsident Günther Jonitz. Die anderen gehen in die Pharmaindustrie, in Unternehmensberatungen oder ins Ausland. „In Skandinavien, den Niederlanden oder in Großbritannien weiß man junge Ärzte zu schätzen und behandelt sie entsprechend.“

In Deutschland nicht: Da sind zum einen die langen Arbeitszeiten. „Viele Ärzte stehen 24 oder 36 Stunden am Krankenbett“, sagt Jonitz. Vor allem deshalb, weil sie in ihren Bereitschaftsdiensten ganz normale Arbeiten erledigen müssen. Am 18. Februar wird das Urteil des Europäischen Gerichtshofes darüber erwartet, ob die Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit zu werten ist. Für die Charité und andere Kliniken wird dann das Arbeitskräfteproblem noch weiter verschärft. „Dann brauchen wir 200 zusätzliche Ärzte“, sagt Charité-Chef Dudenhausen. Deshalb überlegt er schon, wie er den Beruf attraktiver machen kann. „Wir erweitern unser Angebot an Teilzeitstellen, ebenso wie die Zahl von Kita- Plätzen.“ Offensichtlich sollen mehr Frauen animiert werden, Klinikärztin zu werden.

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