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Berlin: Für das Schulfach Ethik ist der Zeitplan kaum zu halten

Inhalte umstritten, Lehrer-Ausbildung und Kooperation mit Kirchen unklar Nicht einmal der Termin für die Verabschiedung des Gesetzes steht fest

Das neue Unterrichtsfach Ethik wird anders als geplant nächstes Jahr nicht in allen siebten Klassen eingeführt. „Der Zeitplan ist nicht zu halten“, heißt es aus der Bildungsverwaltung. Zwar soll im Oktober der Rahmenplanentwurf vorliegen. Aber das ist auch das Einzige, was fest steht. Schulsenator Klaus Böger (SPD) will weder sagen, wann das umstrittene Projekt als Gesetzentwurf in den Senat kommt. Noch hat bisher der gewünschte Dialog mit den Kirchen begonnen.

Selbst innerhalb der Koalition ist längst nicht alles klar. Die Linkspartei/PDS erwartet von dem neuen Fach, dass es sich schwerpunktmäßig mit interkultureller Bildung befasst, wie ihre bildungspolitische Sprecherin Siglinde Schaub gestern betonte. Deshalb solle das Fach nicht „Ethik“ heißen, sondern „Kulturen, Werte, Religionen“. Unzufrieden ist sie auch damit, dass nicht das Parlament, sondern Böger selbst die Rahmenplankommission eingesetzt hat.

In der SPD gibt es nach wie vor zwei Lager in Sachen „Werteunterricht“. Die einen teilen die Erwartungen der Linkspartei/PDS. Die anderen wollen einen weniger sozialkundlichen und dafür stärker philosophischen Ansatz, der sich an den Grundlagen der Ethik orientiert. Da Böger zur zweiten Gruppe gehört, hat er dem Fach den Arbeitstitel „Ethik“ gegeben und den anerkannten HU-Philosophen Volker Gerhardt zum Mitglied der Rahmenplankommission berufen.

Gerhardt deutete im Gespräch mit dem Tagesspiegel erstmals an, in welche Richtung das so heiß umstrittene Fach inhaltlich gehen soll: „Es geht um den Anschluss an die klassischen Tugenden der Klugheit, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit.“ „Tapferkeit" aber nicht auf dem Schlachtfeld, sondern in der Bürgerversammlung, wo man zu seiner Meinung zu stehen habe. Laut Gerhardt tendiert die Kommission dazu, auf den Anfang der Ethik vor 2500 Jahre zurückzugehen, in eine Zeit, in der sich die Ideen zu den heutigen Großreligionen gebildet haben. Von diesem Ausgangspunkt will man sich der Gegenwart nähern, ethnische und kulturelle Probleme behandeln und dabei die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler im Blick haben. Es gehe um „humanes, um moralisches Verhalten“, um die Fähigkeit, sein eigenes Leben zu führen. Und schließlich stehe die Ausrichtung an den Grundwerten der Verfassung im Mittelpunkt.

Wie die Zusammenarbeit mit den Religionslehrern gestaltet werden soll, ist noch offen. Dem Vorschlag Bögers, in der Rahmenplankommission mitzuwirken, sind die beiden Kirchen nicht gefolgt. Zu groß ist ihre Empörung, dass ihr Unterricht nicht als gleichwertige Alternative angeboten, sondern in den Nachmittag abgedrängt werden soll. Außerdem seien sie offiziell nie eingeladen worden. Ihre gestern präsentierten neuen Rahmenpläne für den Religionsunterricht ignorieren die neue Konkurrenz zum Fach Ethik komplett. Niemand weiß deshalb zu sagen, ob es eine Zusammenarbeit mit den Kirchen geben wird. Weder in der Kommission, noch später im Unterricht.

Zudem ist die rechtzeitige Fortbildung der Ethiklehrer nicht sichergestellt: Sie kann erst beginnen, wenn das Gesetz verabschiedet ist.

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