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Berlin: Für Großkanzleien rechnet sich die Hauptstadt nicht

Die Anwälte von Clifford Chance haben sich aus Berlin zurück gezogen. Andere Gesellschaften könnten dem Beispiel folgen

Nach dem Rückzug der britischen Großkanzlei Clifford Chance aus Berlin geht bei den Anwälten die Sorge um, dass weitere Branchengrößen folgen könnten. „Wir brauchen die Großkanzleien in Berlin“, sagte Ulrich Schellenberg, der Vorsitzende des Berliner Anwaltsvereins. „Aber ich habe die Befürchtung, dass sie lieber von Frankfurt am Main, Düsseldorf und München aus agieren und die Anwälte bei Bedarf nach Berlin ausfliegen.“

Bei Clifford Chance ist das definitiv der Fall. Die weltweit tätige Kanzlei hatte Ende März ihr Hauptstadtbüro mit rund 50 Mitarbeitern geschlossen. Als Begründung gab Clifford Chance an, dass es an anderen Standorten wie Düsseldorf oder Frankfurt engeren Kontakt zu den Kunden aus der Industrie halten könne.

Eine Begründung, die auch vielen Kollegen einleuchtet. „Viele der Träume, die es noch vor zehn Jahren gab, haben sich nicht erfüllt“, sagte Stefan Lütje, Berliner Partner der Kanzlei Linklaters. Anfang der 90er Jahre hatten der Immobilienboom und die Treuhand den Rechtsberatern noch gute Geschäfte beschert. Doch die Hoffnung, dass infolge des Regierungsumzugs auch viele große Industrieunternehmen den Weg nach Berlin finden könnten, hat sich zerschlagen. „In Berlin fehlt die große Industrie und damit auch das große Geschäft“, sagt Martin Seyfarth, Partner der Rechtsanwaltskanzlei Wilmer Cutler Pickering Hale and Dorr in Berlin. Zudem können Anwälte in London mindestens den doppelten Stundensatz verlangen wie hier.

Das stellt insbesondere große angloamerikanische Wirtschaftskanzleien wie Clifford Chance, Linklaters Oppenhoff & Rädler oder Lovells vor große Probleme. „Diese Kanzleien stellen hohe Umsatz- und Profiterwartungen an ihre Partner, die sie im Berliner Markt allein oft nicht mehr erfüllen können", sagt Seyfarth. Je mehr Büros eine internationale Sozietät in Deutschland unterhalte, desto größer werde auch der interne Wettbewerb.

In der Branche wird daher erwartet, dass noch weitere große Anwaltsfirmen ihre Berliner Vertretung abspecken werden. „Ich rechne zwar nicht mit weiteren Schließungen, aber viele Großkanzleien werden neben anderen Standorten auch ihr Engagement in Berlin hinterfragen“, sagt Roman Bärwaldt, Partner der Kanzlei Graf von Westphalen, der bis vor kurzem bei Clifford Chance gearbeitet hat.

Nach einer Meldung des Fachmagazins Juve ist unter anderem die britische Kanzlei Lovells betroffen. Sie habe zwar im Dezember angekündigt, am Standort festzuhalten, wolle sich aber von Partnern trennen. Drei Berliner Partner haben in den vergangenen Monaten die Kanzlei verlassen. Lovells war am Mittwoch nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen.

Dennoch gibt es aus Sicht der Anwälte vieles, was für Berlin spricht. Abgesehen von der repräsentativen HauptstadtAdresse auf dem Briefkopf arbeiten viele junge Anwälte lieber in Berlin als im nüchternen Frankfurt oder Düsseldorf. „Wir können uns hier die besten Leute aussuchen“, sagt Helmut Bergmann, Partner der mit 70 Anwälten mit Abstand größten Berliner Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Freshfields selbst sieht sich – entgegen dem Trend – in einer komfortablen Situation. „Wir haben ein gigantisches Geschäftsjahr hinter uns“, sagt Bergmann. Die Profitabilität sei gestiegen, der Umsatz pro Partner liege in der Hauptstadt nicht unter dem Schnitt der Kollegen in den übrigen deutschen Büros. „Wir denken nicht im Traum daran, unser Berliner Büro zu schließen“, sagt Bergmann.

Der Grund für den Erfolg liegt in der Kombination. Freshfields ist nicht nur regional gut im Geschäft – berät etwa die Bundesregierung bei der Maut –, sondern betreut von Berlin aus Mandanten in der ganzen Welt. „Ob ich dabei in Berlin oder Düsseldorf sitze, spielt keine Rolle“, sagt Bergmann. „Aber viele internationale Kunden finden es schicker, von Berlin aus beraten zu werden.“

Maren Peters

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