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Berlin: Für jeden eine Farbe

Berlin in zwölf Kapiteln: Pünktlich zum Jahreswechsel haben Kalender-Verlage Hochkonjunktur

Welche Farbe hat meine Stadt? Die Frage ist nur selten eindeutig zu beantworten. Aber es gibt Ausnahmen, in denen eine Farbe eine Stadt zu charakterisieren scheint. Warum erkenne man auf Fotos oder in Filmen sofort, dass es New York sei, hatte sich der Berliner Fotograf Gregor Mayntz oft gefragt, bis er darauf stieß: Es ist die Farbe Gelb. London erschien ihm rot, Paris blau und Berlin ist für ihn grün. Man nehme nur die vielen Parks, dazu den Grünspan auf den Dächern der historischen Gebäude – zwölf grüne Fotomotive kommen hier schnell zusammen.

Zum fünften Mal veröffentlicht Mayntz für 2005 Jahreskalender mit Motiven der vier Metropolen. Grüne Perücken von Hostessen auf der Grünen Woche, eine Versammlung grüner Kunst-Bären Unter den Linden, das S-Bahnschild vor dem Brandenburger Tor oder die Kuppel der St. Hedwigs-Kathedrale bilden so eine Einheit in der Berliner Vielfalt, jenseits der kunterbunten Postkartenästhetik, die Kalendern allzu häufig eigen ist.

Das Wesen dieser Stadt mag monochrom sein, das in Buchhandlungen und Kaufhäusern ausgebreitete Sortiment der Berlin-bezogenen Jahreskalender ist um so bunter. Gut zwei Dutzend dieser Begleiter durchs Jahr 2005 hat beispielsweise das KaDeWe im Angebot, dazu kommen noch mal einige aus dem Umland, darunter die edel fotografierten „Bilder aus der Mark Brandenburg“ von Wolfgang Scholvien. Fast jedes nur erdenkliche Bedürfnis nach lokalpatriotischer oder touristischer Dekoration des Wohn- und Arbeitsbereichs lässt sich so befriedigen, überwiegend zweidimensional, aber sogar mit 3-D-Brille. Die wird in dem neuen „Raumbild-Kalender“ mit Fotos des Berliner Fotografen J. F. Stiehm (1826 - 1902) gleich mitgeliefert. Der Betrachter erhält so im monatlichen Wechsel Einblick in die historische Stereoskop-Fotografie – und zusätzlich manche schriftliche Information über das abgelichtete historische Stadtbild.

Für Nachtschwärmer empfiehlt sich „Night Flight“, mit Schwarzweißszenen aus der Berliner Nacht, Hobbyhistoriker sind mit dem Kalender-Taschenbuch des Luisenstädtischen Bildungsvereins gut beraten. Auch die Kunstinteressierten werden bedient, erlesen mit einem Kalender, der orientalische Handschriften aus der Staatsbibliothek an die Wand bringt, eher bodenständig als wochenweiser Tischkalender mit Mauerkunst der Vorwendezeit oder im naiven Stil, wie ihn die Gropiusstädter Sonntagsmaler pflegen.

Manche Institution betreibt mit dem Kalender-Geschäft Reklame in eigener Sache, erhofft sich zusätzliches Taschengeld für die tägliche Arbeit. So haben die Freunde und Förderer des Museums für Naturkunde einen Farbkalender mit Tierdioramen, der ausgestopften Gorillalegende „Bobby“, Schmetterlingsschaukasten und Saurierschädel vorgelegt. Auch die Verwaltung des Britzer Gartens leitet in Papierform durchs Jahr, mit Fotos, die Besucher eingereicht hatten. Aber keineswegs ist dort alles grün.

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