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Berlin: Für Rückbesinnung – gegen Heimattümelei

Architekturexperten begrüßen Stadtplanung nach historischem Vorbild, wollen aber moderne Häuser

Mit gemischten Gefühlen betrachten Berliner Architekten und Architekturkritiker die Pläne der Bauverwaltung für den Molkenmarkt und das Klosterviertel. „Es ist gut, nach dem Kahlschlag der Verkehrsplaner wieder die historischen Spuren der Stadt zu suchen“, sagt Architekt Konrad Wohlhage, dessen Büro unter anderem die Indische Botschaft und die Bremer Landesvertretung entworfen hat. „Aber wenn das Areal nach dem historischen Vorbild in den alten Parzellen bebaut werden soll, dann ist das ein grauenhafter Rückfall in längst vergangene Zeiten.“ Im schlimmsten Fall, sagt Wohlhage, könnte aus dem Viertel hinter dem Roten Rathaus etwas ähnliches werden wie das benachbarte Viertel rund um die Nikolaikirche: „Das ist ein unhistorisches, unauthentisches Disneyland für Touristen – schrecklich“, urteilt der Architekt. Auch der gerade fertiggestellte Neu-Altbau der Kommandantur am Schloßplatz und die nebenan geplante Bauakademie sind für ihn architektonische Rückschritte. Sollten im Klosterviertel allerdings auf dem historischen Grundriss zeitgenössische Gebäude nach dem Prinzip „Moderne statt Heimattümelei“ entstehen, würde Wohlhage dies als Bereicherung für die Stadt sehr begrüßen.

Manche Ost-Berliner haben mit den Plänen des Bausenators noch aus einem anderen Grund ihre Schwierigkeiten: „Der Umbau wird benutzt, um die Berliner Innenstadt in die Zeit vor der DDR zurückzubauen“, sagt Bruno Flierl, Nestor der ostdeutschen Architekturkritik und Vater von Kultursenator Thomas Flierl (PDS). Der Architekturhistoriker findet es einerseits vernünftig, das Viertel zurückzubauen, um „die Kontinuität der Stadt“ auszudrücken. Wenn Rückbau allerdings „Zerstörung der Moderne“ aus DDR-Zeiten bedeute, dann zeige das bloß einen „politischen Hass“ in der Bauverwaltung auf ostdeutsche Architektur und Stadtplanung. „Ich befürchte, hier will man den Rest der DDR liquidieren“, sagt Flierl.

Für einen Kompromiss aus historischem Stadtgrundriss und moderner Architektur spricht sich der Architekturkritiker Gerwin Zohlen aus. „Ich begrüße den Rückbau der Wahnsinnsautobahn der Grunerstraße und hoffe, dass dort eines Tages ein lebendiges Viertel mit Geschäften, Wohnungen und Schulen entsteht“, sagt Zohlen. Allerdings müsse eine solche „Korrektur städtebaulicher Irrtümer“ noch lange nicht bedeuten, dass auf dem alten Grundriss auch historisierende Gebäude entstehen. „Städtebauliche Rückbesinnung erlaubt moderne Architektur.“ Und für das unter Architekten und Experten weithin ungeliebte Viertel um die Nikolaikirche sieht Zohlen gar eine neue Perspektive durch den Umbau des Klosterviertels: „Bislang ist das Nikolaiviertel nur eine touristische Insel, weil es von Straßen eingeschlossen ist.“ Sollte das Klosterviertel nun wie geplant in Richtung Rotes Rathaus ausgeweitet werden, „könnte dies das Nikolaiviertel aus seinem Inseldasein befreien und beleben.“

Ganz andere Sorgen löst der Bebauungsplan der Senatsverwaltung bei den Verkehrspolitikern der Opposition aus. „Es ist abstrus, mitten in der Berliner Innenstadt das Straßenbild von 1870 wiederherstellen zu wollen“, sagt CDU-Verkehrspolitiker Alexander Kaczmarek. Zwar sei seine Partei generell für eine Wiederherstellung des Viertels am Molkenmarkt. Aber aus verkehrspolitischer Sicht befürchtet Kaczmarek „endlose Staus“ durch die neue Straßenführung und die Verengung der Verbindungsstraßen Mühlendamm und Grunerstraße. Auch FDP-Stadtentwicklungsfachmann Erik Schmidt begrüßt zwar generell den Plan, befürchtet aber, „dass hier mal wieder die Autofahrer ausgespielt werden sollen.“

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