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© Mike Wolff

Funkhaus: Neue Misstöne an der Nalepastraße

Ein Jahr nach der Versteigerung des Funkhauses Nalepastraße in Berlin hat der neue Investor einiges bewegt. Manche Mieter sind trotzdem unzufrieden.

Der Chef ist aus seinem DDR-Museum aus dem fünften Stock des Rundfunkturms ins renovierte Erdgeschoss gezogen. Zumindest hier unten gibt es jetzt wetterfeste Fenster und ebene Böden. Ebenfalls neu ist die Marketingbeauftragte: Susanne Graef soll im Auftrag des Projektentwicklers Albert Ben-David dafür sorgen, dass das Funkhaus Nalepastraße wieder einen guten Klang bekommt. Keine leichte Aufgabe bei dieser XXL-Immobilie mit ihrer skandalösen Geschichte. Ein Jahr ist es her, dass eine Spekulantenschar das denkmalgeschützte Kernstück des DDR-Funkgeländes am Köpenicker Spreeufer für fast fünf Millionen Euro versteigern ließ. Dass daraus – weil der anfängliche Höchstbieter geblufft hatte und die Liste der Mieteinnahmen sich großenteils als Schwindel erwies – später 3,5 Millionen wurden, ließ sich für die windigen Zwischenhändler wohl verschmerzen: Die neuen Länder und Berlin hatten ihnen das ganze, gut 13 Hektar große Objekt zuvor für 350 000 Euro verscherbelt – und später noch eine halbe Million an Betriebskosten draufgelegt. Steuergeld, von dem noch die Rede sein soll.

Ben-David aber hat weder fremdes Geld zu verteilen noch die Absicht, andere zu betrügen. Er hat es vergleichsweise schwer. Die ersten Mieter werden mürrisch. „In Riesenschritten geht es nicht gerade voran“, sagt ein Alteingesessener. Ein anderer packt schon zusammen: „Ich verstehe ja, dass Betriebskosten gespart werden müssen, aber letzten Winter hatte ich hier 14 Grad.“ Der Studiobetreiber erzählt von Ärgernissen wie Bandproben in Nachbarräumen, die neuerdings seine Aufnahmen störten. Von einer Sonderkündigungsklausel in seinem neuen Mietvertrag, auf die er sich wegen seiner teuer installierten Technik nicht einlassen könne. Und davon, dass er künftig fünf Euro kalt für den Quadratmeter zahlen solle – mehr als doppelt so viel wie bisher, plus Staffelmiete. Dass es vorher „unverschämt günstig“ war, wisse er, aber zu den neuen Konditionen müsse er nicht hierbleiben. Studios gibt es überall, spottbillige nur hier. Der Musikproduzent Volker Schneider, der als Einziger mit Namen zu seiner Kritik steht, erzählt von einer 70-prozentigen Mieterhöhung und Berechnungsgrundlagen, die er nicht akzeptieren könne. „Nicht hier am Arsch der Welt, wo es noch nicht einmal die versprochene Cafeteria gibt, wo es zieht wie Hechtsuppe und die Stromspannung schwankt.“ Er hat sich mit Ben-David überworfen und seine Kündigung bekommen. Bis Oktober muss er raus.

Im Herbst verlässt mit dem Filmorchester Babelsberg auch der prominenteste Mieter die Nalepastraße. Der Wegzug nach Potsdam war seit langem geplant – und wird von allen bedauert.

Schneiders Protest ist die Ausnahme, aber auch andere finden, dass der neuerdings gemähte Rasen und das renovierte Erdgeschoss keine Mieterhöhungen rechtfertigten. „Unverschämt günstig“ war in der Nalepastraße der Standardtarif, auf den gerade in der schwierigen Musikbranche mancher angewiesen war und ist. Susanne Graef, die Marketingfrau, berichtet von Altverträgen mit 64 Cent Warmmiete pro Quadratmeter. Sie verweist auf unsichtbare, aber für den Hausherrn teure Fortschritte wie erneuerte Leitungen, und verteidigt die Strategie, nur vermietete Gebäudeteile herzurichten. Arbeit auf Vorrat könne sich als Fehlinvestition erweisen, falls neue Mieter spezielle Wünsche hätten. Dass es Interessenten gibt, steht für sie außer Frage. Sie spricht von „35 bis 40 Prozent Vermietungsstand mit steigender Tendenz“, berichtet von 90 Mietern insgesamt, vierstelligen Tagesmieten für den berühmten Saal 1 und einer „kleinen Warteliste“ für das Studiogebäude neben dem Haupthaus. Auch übersteige die Nachfrage von Bands nach Proberäumen das Angebot, so dass man weitere herrichten wolle. Und bis in den Herbst hinein sei das in den 50er Jahren bebaute Gelände mit seinem schaurig-schönen Charme für Filmdrehs gebucht.

In der vergangenen Woche hat Ben-David ein Gastronomie-Konzept präsentiert: Eine Lounge bei den Studios, Cafés mit Lieferservice bei den Büros und in der alten Kantine, Freiluftterrasse vor den Resten einer Tankstelle beim Ufer. Ben-David verfolge das Projekt mit ungebrochener Begeisterung, versichert Susanne Graef. Aber: „Es ist sicher so, dass die Perspektive etwas langfristiger geworden ist.“ Ben-Davids Werben um die Schauspielschule „Ernst Busch“ war vergebens, die Wiedereröffnung der stillgelegten Zufahrt durch die Nalepastraße ist nicht in Sicht, und die Bootsanlegestelle kommt frühestens 2008. Die Verspätung liegt nicht unbedingt an Ben-David, der den Uferstreifen kaufen will: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verhandelt nach Auskunft eines Sprechers mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin über dessen „sehr rigide“ Forderungen zur Unterhaltung des Ufers.

Während eine Bundes- und eine Landesbehörde sich also streiten, was man Ben-David zumuten könne, brüten bei der Berliner Staatsanwaltschaft die Experten darüber, ob man der Spekulanten habhaft werden könnte, die vor einem Jahr das große Geschäft gemacht haben. Gegen drei wird offiziell wegen Betrugsverdachts ermittelt. Die Baumaschinenfirma, die sie für den Deal benutzt haben, wurde kürzlich zur Erstattung von 528 000 Euro Betriebskosten an die neuen Länder und Berlin verurteilt. Sie hat dagegen Berufung einlegen lassen, so dass die Sache irgendwann vor dem Kammergericht neu verhandelt werden muss. Insider bezweifeln ohnehin, dass es für die öffentliche Hand noch etwas zu holen geben wird. Und während die Zocker sich ihrer Millionen erfreuen, macht sich Ben-David auf schwierige Jahre gefasst.Stefan Jacobs

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