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Beamte des SEK bei einem Einsatz vor der Moschee in der Perleberger Straße im Januar 2015.

© Lukas Schulze/dpa

Fussilet-Moschee: Das Kalifat in Berlin-Moabit

Der mutmaßliche Attentäter vom Breitscheidplatz, Anis Amri, traf sich in Berlin mit Salafisten – in einer polizeibekannten Moschee. Gegen ihre Besucher laufen Verfahren. Der Senat prüft ein Verbot.

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Aufgeregt wirkt Khizir Tarar an diesem Morgen, ängstlich. Er spricht nur gebrochen Deutsch, nun verhaspelt er sich auch noch. Es ist Freitag, gerade wurde bekannt, dass der mutmaßliche Massenmörder Anis Amri in Mailand erschossen worden ist. Nun wollen Reporter aus ganz Deutschland, ach was, aus halb Europa mit ihm reden. Mit Khizir Tarar, dem unauffälligen Taxifahrer mit der Schiebermütze. Denn Amri verkehrte oft in seinem Haus – mindestens bis zu diesem Sommer.

Perleberger Straße, Berlin-Moabit, ein solider Altbau. Im Erdgeschoss residiert der wohl berüchtigtste Moscheeverein der Stadt: „Fussilet 33“, benannt nach einem Koranvers. In diesem Gebetshaus treffen sich ultrareaktionäre Islamisten. In den Etagen drüber wohnen Mieter, ganz oben der einst aus Pakistan kommende Khizir Tarar.

In der Moschee öffnet am Freitag niemand, schon am Mittwoch blieb die Tür verschlossen, vor dem Haus observierten Zivilfahnder die Straße. Und so wird Taxifahrer Tarar, der als einziger Hausbewohner auf das Klingeln reagiert, in seinem eigenen Hausflur von den Reportern gegen die Wand gedrückt.

In diesem Moment gehen alle noch davon aus, dass Amri sogar ein paar Stunden nach der Amokfahrt noch einmal in der Moschee war – vielleicht um Wunden versorgen und sich mit Reiseproviant ausstatten zu lassen? Der RBB hatte am Donnerstagabend Bilder einer Überwachungskamera veröffentlicht, die einen Mann vor dem Haus in der Perleberger Straße zeigen – dass es sich dabei um Amri handeln könnte, hat Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Freitag jedoch ausgeschlossen.

Fest steht, die Moschee ist ein zentraler Treff gefährlicher Islamisten, die auch Kämpfer in Syrien unterstützt haben sollen. Am Nordhafen, rund 600 Meter von der Moschee entfernt, nahm Amri ein Handyvideo auf, das am Freitag bekannt wurde. Darin schwört der Tunesier dem „Islamischen Staat“, dem IS, die Treue und erklärt, er wolle zum Märtyrer werden. Am Tag des Attentats hatte Amri am Friedrich-Krause-Ufer, ebenfalls in der Nähe der Moschee, den Truck entführt, mit dem er später am Breitscheidplatz zwölf Menschen ermordete.

Fünf Strafverfahren im Zusammenhang mit der Moschee

„Komische Leute“, sagt Tarar, seien in die Moschee gegangen. Komisch, wie genau? Na ja, die Moscheebesucher hätten nicht mal gegrüßt. Die Türken, die früher hier gebetet hätten, die hätten einem noch höflich zugenickt, sagt Tarar. Aber zuletzt kamen vor allem Tschetschenen, jedenfalls Muslime aus dem Kaukasus, also Südrussland und Georgien. Noch vor ein paar Jahren befand sich im Erdgeschoss die Hicret-Moschee. Sie unterstand Ditib, dem Religionsverband des türkischen Staates. Ditib gilt als umstritten, ist aber eigentlich kein Salafistenverein. Tarar selbst ging nie in die Moschee im Erdgeschoss. Sein Gebetshaus liegt in der Müllerstraße, nicht weit entfernt in Wedding. Dass die Räume im Erdgeschoss seines Hauses Anlaufstelle radikaler Muslime war, habe er nicht gewusst. Und er sagt auch: „Die Leute, die den Anschlag verübt haben, das sind Schweinehunde.“

Der Anschlag und die Stationen von Anis Amri in Berlin.
Der Anschlag und die Stationen von Anis Amri in Berlin.

© Tsp

Zur gleichen Zeit kündigt der zuständige Staatssekretär Torsten Akmann im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses an: „Ich habe meine Behörde angewiesen, einen Vorschlag zu machen, wie man möglichst schnell ein Vereinsverbot erreichen kann.“ Dem früheren Innensenator Frank Henkel (CDU) sei behördenintern empfohlen worden, erst die rechtskräftigen Verurteilungen abzuwarten, bevor über ein Verbot entschieden werden sollte. Derzeit laufen fünf Strafverfahren im Zusammenhang mit der Moschee in der Perleberger Straße. Henkel habe diesem Vorschlag am 28. August dieses Jahres zugestimmt.

Staatssekretär Akmann zufolge sind zwei der Strafverfahren inzwischen mit Verurteilungen abgeschlossen worden, allerdings noch nicht rechtskräftig. Henkel war am Freitag nicht zu erreichen. Ob der in Mailand erschossene Amri Unterstützer in der Moschee gehabt habe, „wissen wir noch nicht“, sagte Akmann, Amri sei aber in jedem Fall Teil eines islamistischen Netzwerks gewesen.

Hofansicht der Moschee "Fussilet 33" in der Perleberger Straße in Moabit.
Hofansicht der Moschee "Fussilet 33" in der Perleberger Straße in Moabit.

© TSP

Gern hätte man den Männern aus der Moschee einige Fragen gestellt: Haben sie Amri nach dem Attentat zur Flucht verholfen? Und ist Amri vor der Tat von ihnen instruiert worden? Doch die letzten dem Tagesspiegel bekannten Telefonnummern sind offenbar abgemeldet worden. Dazu gehört die Nummer eines Predigers aus der Moschee, dessen Fall demnächst den Bundesgerichtshof beschäftigen wird. Es handelt sich dabei um Gadzhimurad K., einen Salafisten aus Dagestan. Das ist eine muslimisch geprägte russische Kaukasusprovinz. Ähnlich wie im benachbarten Tschetschenien ist die Lage in Dagestan so angespannt, dass sie jederzeit in einen Bürgerkrieg führen könnte. Die Regierung in Moskau gewährt den Muslimen dort Autonomie – aber keine Unabhängigkeit. Es wird befürchtet, dass diese wohl nur in ein islamistisches Kalifat führen würde.

Kontakt zur Moschee unmöglich

Gadzhimurad K. ist russischer Staatsbürger und unter Islamisten als Murad A. bekannt. Unter diesem Namen trat er in der Fussilet-Moschee als Imam auf. Der 31-jährige K. ist der Staatsanwaltschaft zufolge verdächtig, für den IS um Unterstützer geworben zu haben. Außerdem werde wegen des Verdachts ermittelt, für Islamisten in Syrien hochwertige Nachtsichtgeräte und Zielfernrohre besorgt zu haben. Im Juni wurde er in Berlin deshalb zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt – der Bundesgerichtshof muss noch über das Urteil befinden. Gadzhimurad K. gilt zudem als Kontakt von Ismet D. und Emin F., zwei 2015 festgenommenen Türken aus der Moschee. Beide sind Anfang 40 und sollen ebenfalls eine terroristische Vereinigung unterstützt haben.

In der „Bum Bum“-Bar in der Perleberger Straße sitzt am Freitag ein Weihnachtsmann vor einem Daddelautomaten. Hinter ihm spricht der Wirt über die Todesstrafe. „Für so einen“, sagt er, Halbglatze, mächtiger Bauch, „gibt es nur so ein Urteil. So ein Dreck muss weg.“ Der Gast am Daddelautomaten, rote Weihnachtsmütze auf dem Kopf, wirft ungerührt Münzen in den Schlitz. Die Bar ist ein dunkler Schuppen, der resolute Wirt spricht sich in Rage. „Ich habe bisher nicht mal gewusst, dass dort überhaupt eine Moschee ist.“ Ein grauhaariger Rentner kommt in die Bar. Er wohnt in der Nähe, kennt die Moschee, auch die Leute, die dort beten. Na gut, kennen: Er hat sie immer mal gesehen. „Ganz normale Leute, wie viele, die hier wohnen.“ Wenn er sich da mal nicht täuscht.

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