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G-8-Razzia

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G-8-Gegner: Auch Körting wusste nichts von Razzia

Das BKA informierte den Innensenator nicht über Durchsuchungen. SPD-Politiker verteidigt friedlichen Protest.

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Das Bundeskriminalamt (BKA) hat die Razzien bei Berliner G-8-Gegnern der linken Szene offenbar ohne Abstimmung mit Innensenator Ehrhart Körting vorgenommen. Bei den Durchsuchungen des BKA habe die Berliner Polizei am Mittwoch lediglich Amtshilfe geleistet, sagte Körting (SPD) gestern im Parlament. „Die Durchsuchungsbeschlüsse waren nicht bekannt“, sagte der SPD-Politiker, der zurzeit auch Vorsitzender der Länderinnenministerkonferenz ist.

Der Senator warnte vor einer Kriminalisierung von G8-Gegnern. Er habe Verständnis für die Ängste von Menschen, die ihre kritischen Meinungen zur Globalisierung öffentlich machen wollten. Dafür gebe es die Meinungsfreiheit und das Demonstrationsrecht. Man sei deshalb gut beraten, „friedliche Demonstrationen, die Fragen stellen, nicht in Frage zu stellen“. Körting bezog sich ausdrücklich auch auf Kampagnen und Protestaktionen und fügte hinzu: „Man darf nicht die vielen Menschen, die Fragen stellen, und die wenigen, die kriminell sind, in einen Topf werfen.“ Dass gegen die Durchsuchungen am Mittwochabend 3000 Demonstranten demonstriert hatten, bestärke ihn in seiner Meinung. „Sie haben friedlich demonstriert, und das ist ihr gutes Recht.“

Der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, sagte, der Terrorismus-Verdacht sei nicht zu belegen. Die Razzia sei „staatsrechtlich höchst bedenklich“. Er teile die Einschätzung von Betroffenen, es sei ein Einschüchterungsversuch gewesen. Der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Frank Henkel, betonte, der Schlag habe sich klar gegen militante Gruppen gerichtet und nicht gegen gemäßigte Protestler. Wer den Ermittlungsbehörden Einschüchterung vorwerfe, heize die Stimmung im Vorfeld des Gipfels zusätzlich an.

Die Berliner Sicherheitsbehörden haben positiv auf die Razzia gegen die linke Szene reagiert. Erstmals seit langem habe die Bundesanwaltschaft wieder einmal „Flagge gezeigt“ gegen die linke Szene, hieß es bei der Berliner Justiz. Wie ein leitender Ermittler sagte, sollten die Razzien der Szene zeigen, „Hallo wir sind auch noch da, das BKA kümmert sich nicht nur um Autoschieber.“ Der hochrangige Ermittler erinnerte daran, dass man vor der Fußball-WM ebenfalls massiv im Vorfeld die Szene gestört habe: „Bei der WM hat das gut geklappt.“ Nun sollte den gewaltbereiten G8-Aktivisten klar gemacht werden, dass der „Staat ihnen auf den Füßen steht“. Gerechtfertigt seien die Durchsuchungen in jedem Fall. Denn die Aggressivität der Drohungen im Internet sei hoch, zudem würden seit Monaten auch in Berlin Dutzende Autos angezündet. Berliner Behörden erwarten jedoch nicht, dass den militanten G8-Gegnern noch eine große Aktion gelingen werde. „Im Vergleich zu den großmäuligen Ankündigungen ist bislang wenig passiert“, sagte der hochrangige Beamte. Denn die Szene sei zerstritten, dies habe zuletzt der 1. Mai gezeigt. „Die hätten in der Nacht zum 1. Mai doch in aller Seelenruhe Siemens an der Nonnendammallee entglasen können“, sagte der Ermittler. Stattdessen hätten sich die Autonomen die üblichen Walpurgisnacht-Scharmützel mit der Polizei in Friedrichshain geliefert. Ob die Razzia letztlich auch „clever“ war, werde sich aber „erst nach dem G8-Gipfel zeigen“, hieß es. Denn die Razzia habe die Wut in der Szene noch richtig angeheizt, heißt es. Nach Polizeiangaben sind derzeit keine weitere Demonstrationen angemeldet.

Die von Durchsuchungen betroffenen Beschuldigten haben sich gestern gemeinsam an die Öffentlichkeit gewandt. Die Polizei habe sich durch ein „unkoordiniertes und planloses Vorgehen“ ausgezeichnet. Einige Verdächtige seien erkennungsdienstlich behandelt und zur Abgabe einer DNA-Probe gezwungen worden. Bei anderen Betroffenen wurden nur die Personalien festgestellt, berichteten Anwälte aus Hamburg und Berlin.

In einem Durchsuchungsbeschluss für Räume in Berlin wurde der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung damit begründet, dass die Verdächtigen Autoren eines linken Geschichtsbuchs seien. Das in dritter Auflage erschienene Buch „Autonome in Bewegung“ wurde dabei als juristische Rechtfertigung für die Razzien herangezogen, hieß es von einem Betroffenen in Kreuzberg. Das Buch ist in zahlreichen Buchhandlungen für 20 Euro erhältlich, und war nach Auskunft von Rechtsanwälten zu keinem Zeitpunkt Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung.

Zwei bei der Demonstration am Mittwochabend Festgenommene sollen laut Polizei wegen schweren Landfriedensbruchs einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden.

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