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Berlin: Gabriele Rühling: Offenes Ohr für 20 000 Menschen

Eigentlich hört sie es nicht so gern, weil es ein wenig überheblich klingt: Aber nur wenn Gabriele Rühling zustimmt, können im Bezirk öffentliche Bauprojekte verwirklicht werden. Man muss sich das so vorstellen: Die Diplom-Ökonomin prüft die Planungsunterlagen auf Behindertenfreundlichkeit.

Eigentlich hört sie es nicht so gern, weil es ein wenig überheblich klingt: Aber nur wenn Gabriele Rühling zustimmt, können im Bezirk öffentliche Bauprojekte verwirklicht werden. Man muss sich das so vorstellen: Die Diplom-Ökonomin prüft die Planungsunterlagen auf Behindertenfreundlichkeit. Sie achtet darauf, dass Rollstuhlfahrer bequem in die Gebäude gelangen oder Behindertentoiletten vorgesehen sind. Gabriele Rühling gehörte einst zu den ersten Behindertenbeauftragten der Stadt. Jetzt wurde sie von den Bezirksverordneten Treptow-Köpenicks wiedergewählt.

"Natürlich freue ich mich über das Vertrauen", sagt die zierliche Frau. Aber sie sieht es vor allem als eine Anerkennung ihrer Arbeit. Und sie weiß, dass es richtig war, Anfang der 90er Jahre dauernd Klinken zu putzen, wie sie es heute nennt. Immer wieder habe sie den Verantwortlichen klar gemacht, dass für die Bedürfnisse Behinderter mehr getan werden müsse. Inzwischen wird die 46-Jährige ganz selbstverständlich einbezogen.

Baufragen sind aber nur ein kleiner Teil der Arbeit Frau Rühlings. Denn besonders wichtig ist für sie der Kontakt zu den behinderten Menschen. So kann man die Beauftragte an vier Tagen in der Woche persönlich sprechen. Manchmal scheinen die Warteschlangen vor ihrem Büro im Köpenicker Rathaus unendlich zu sein. Doch geduldig hört sich Gabriele Rühling die Probleme an. Einigen Betroffenen gibt sie aber auch den Rat, ihr Leben selbst zu gestalten. "Es ist zu wenig, wenn man darauf wartet, an die Hand genommen zu werden." Man müsse selbst Verantwortung übernehmen. Sie vermittelt zudem Kontakte zu Selbsthilfegruppen, Vereinen und organisiert Schwimmkurse und Tennis für Rollstuhlfahrer. In den zehn Jahren als Behindertenbeauftragte gab es aber auch Momente, an die sie sich nicht so gern erinnert. Da war unter anderem ein Mädchen, das sein Abitur an einem "normalen" Gymnasium machen wollte, dort jedoch auf totale Ablehnung stieß. Nach solchen traurigen Erlebnissen, findet Gabriele Rühling aber Halt in der Familie. Und es tue ihr gut, wenn ihr Mann, der selbst seit Jahren im Rollstuhl sitzt, einfach nur zuhört.

Seit Januar ist die Behindertenbeauftragte auch für Treptow zuständig und Ansprechpartnerin für rund 20 000 behinderte Menschen. Mit ganzer Kraft will sie durchsetzen, dass alle Behörden für Behinderte zugänglich sind. Dann möchte sie ein bislang einmaliges Projekt auf den Weg bringen: Geplant ist ein Rehabilitationshaus, in dem Behinderte ausgebildet werden und sich um andere Behinderte kümmern.

Bereut hat sie ihre spontane Zusage von 1990 noch nie, als sie gefragt wurde, ob sie den Posten als Behindertenbeauftragte übernehmen wolle. Der Köpenicker Behindertenverband hatte sie damals vorgeschlagen. Als Anerkennung für ihren persönlichen Einsatz wurde Gabriele Rühling 1995 vom Regierenden Bürgermeister mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnet. "Für mich ist diese Auszeichnung eine Art Signal, dass die Bedürfnisse Behinderter von der Politik ernst genommen werden."

Steffi Bey

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