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Berlin: Ganz allein im Kaufhaus

Das Lafayette öffnete für einen einzigen Kunden Berliner ersteigerte Besuch bei Tagesspiegel-Auktion

So müssen früher einmal Adelige empfangen worden sein, wenn sie in einem Geschäft erlesene Kostbarkeiten auswählen wollten: Natürlich eilte der Geschäftsführer herbei, um den Gast persönlich zu begrüßen. Champagner und Lachshäppchen standen bereit. Verkäufer, die dem Edelmann jeden Wunsch von den Augen ablasen, folgten ihm auf Schritt und Tritt. Wolf-Dieter Werner ist ein ganz normaler Berliner des 21. Jahrhunderts und hat genau das am Sonnabend erlebt. Er hat sich den Traum eines solchen Luxus-Einkaufs erfüllt: Die Galeries Lafayette hatten ausschließlich für ihn und seine beiden Söhne ihre Türen geöffnet, von halb neun bis kurz vor Mitternacht. Denn bei der Weihnachtsauktion des Tagesspiegels hatte der 53-Jährige den Zuschlag für eines der begehrtesten Angebote bekommen: 933 Euro zahlte der Personalchef eines Bad Homburger Unternehmens für das Erlebnis, inklusive Einkaufsgutschein über 1000 Euro. „Einmal ein ganzes Kaufhaus für sich haben, davon träumt doch jeder“, sagte er.

So ganz allein mochte er denn doch nicht kommen, und außerdem brauchte er noch Weihnachtsgeschenke für seine Söhne. Deshalb durften sich die beiden Studenten in der Herrenabteilung umsehen, während Wolf-Dieter Werner einen dreiteiligen Anzug anprobierte.

Sowohl der edle schwarze Zwirn für den Vater als auch der graue Zweiteiler für den 26-jährigen Sebastian passen auf Anhieb. Schließlich besitzt Verkäufer René Richert den geschulten Blick. Das weiß Herr Werner sehr zu schätzen: „Mehr als drei Anzüge will ich gar nicht sehen.“ Trotzdem werden aus der Anprobe zwei Stunden.

Leiser Jazz perlt aus den Lautsprechern. Ab und zu ein Weihnachtslied: „Morgen, Kinder, wird’s was geben.“ Kein Mensch in den anderen Abteilungen. Der Verkäufer im eleganten schwarzen Anzug berät ohne Pause, klärt auf über doppelt gewebte Socken und Pullover mit Eiweißproteinen. Den 23-jährigen Florian versucht er von den Vorteilen eines schmalen Schlipses zu überzeugen, während der sich in seiner neuen Kleidung noch nicht so recht zu Hause fühlt: Statt seiner weiten Jeans hat er einen eleganten schwarzen Anzug an. An den Füßen trägt er noch seine abgewetzten Skaterschuhe. Wieder glücklich im eigenen Sweatshirt entscheidet er sich für ein gestreiftes Hemd. Der schwarze Armani-Mantel, den sein Vater anprobiert, würde ihm auch gefallen: „Der ist cool.“ Doch Papa kann sich nicht so recht entscheiden: „Das Mantelthema verschiebe ich lieber auf einen Einkaufsbummel mit meiner Frau.“ Die war zu Hause geblieben, um auf die beiden jüngsten Sprösslinge der Familie aufzupassen, und hatte ihrem Mann einige Einkäufe aufgetragen: eine Silikonbackform aus der Haushaltsabteilung und eine Sonnenbrille. Als Mitbringsel suchte der Gatte noch mit großer Sorgfalt eine Tafel extra bittere Schokolade aus: „Das ist schon ein großer Hauch von Luxus.“

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