zum Hauptinhalt

Berlin: Ganz ungestört auf Dienstreise

Berlin hat Schulferien, da finden normalerweise keine Revolutionen statt. Also kann der Regierende Bürgermeister getrost verreisen - selbst in politisch spannenden Zeiten, wie jetzt, vor der Regierungsbildung.

Berlin hat Schulferien, da finden normalerweise keine Revolutionen statt. Also kann der Regierende Bürgermeister getrost verreisen - selbst in politisch spannenden Zeiten, wie jetzt, vor der Regierungsbildung. So rechtfertigt Klaus Wowereit jedenfalls seinen dreitägigen Besuch in Prag und Bratislava. Dort trifft er seine Amtskollegen, Unternehmer, Abgeordnete. Und er besucht Schüler. "Das ist kein Urlaub und auch kein Termin zum Abschalten", sagt Wowereit. "Urlaub muss Spaß machen, aber das hier ist harte Arbeit."

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Genüsslich greift er deshalb am Ende eines langen Arbeitstages, kurz vor Mitternacht, in einer Kneipe inmitten der Prager Altstadt zum Pilsner Urquell. Berlin und seine politischen Debatten scheinen weit weg. Wieviele Telefongespräche mit Berlin hat er am ersten Besuchstag seiner Reise schon geführt? "Kein einziges", sagt Wowereit. "Ich habe mein Handy die ganze Zeit im Hotelzimmer liegen lassen." Wie denn, überhaupt kein Kontakt zur Senatskanzlei? Kein Austausch mit potenziellen Koalitionspartnern, keine Reaktion auf Äußerungen von Politikern? "Nein, nichts." Dann lenkt er aber doch ein: "Wenn es wirklich etwas Wichtiges gegeben hätte, würde ich es schon erfahren haben. Fünf Handy-Träger sind doch um mich herum." Also war nur das Übliche passiert: "Außer Journalisten hat sich niemand gemeldet."

Die Reise in die südlichen Partnerstädte hatte Wowereit selbst nicht vereinbart. Amtsvorgänger Eberhard Diepgen hatte sie schon im Januar angesetzt. Eine Verschiebung wegen der Wahlen und der folgenden Parteiengespräche stand aber auch für den SPD-Nachfolger nicht zur Debatte. "Kontakte ins Ausland sind wichtig", sagt Wowereit, der bislang nur durch Wien, Salzburg und Rom in offizieller Mission spaziert war. "Wir bekommen keine Schwerindustrie zu uns, aber Touristen und Kulturinteressierte", fällt dem Regierenden Bürgermeister noch zur Begründung ein. Deshalb habe er auch mit Freude die Ausstellung der Berlinischen Galerie in Prag eröffnet. Vor allem aber versucht er Türen für heimische Unternehmen zu öffnen. Im Schienenfahrzeugbau und bei der Sanierung von Plattenbauten könnten Geschäfte sowohl mit Prag als auch mit Bratislava klappen. Siemens und das tschechische Unternehmen CKD bauen schon gemeinsam U-Bahn-Züge.

Zwischen den Terminen bleibt Zeit für einen kurzen Stadtbummel. "Mensch, das ist doch der aus Berlin", ruft ein Tourist in der Nähe des Wenzelsplatzes seiner Frau zu. "Na der, der immer sagt, das ist gut so." Weltmännisch dreht sich der Erkannte um und begrüßt die Ausflügler. Ein Gespräch ergibt sich wie von selbst. Ja, Prag hat sich stark verändert. Schon beim Besuch vor 20 Jahren, sagt Wowereit, habe ihn die Lebendigkeit der Stadt fasziniert. Das sei so geblieben. "Jetzt ist Prag nur noch schöner." Das hören die Gastgeber gern.

Vor den tschechischen Abgeordneten mag er einen gewissen Neid auf die Hilfe des Landes für die Hauptstadt Prag nicht verhehlen. "Berlin genießt diesen Status leider noch lange nicht." In keinem anderen Land sei beispielsweise denkbar, dass die nationale Fluglinie die Hauptstadt eines Landes ähnlich stiefmütterlich behandelt wie die Lufthansa dies mit Berlin tue. "Zuerst kommen für diese Linie Frankfurt, dann München und mit Abstand darauf Düsseldorf. Wenn wir Glück haben, folgt Berlin auf Platz vier." Die Klagen über die mangelnde Auslastung der Flüge nach Washington, Moskau oder London könne er nicht teilen. "Wer keine Verbindungen anbietet, darf später nicht jammern", lautet Wowereits öffentliche Kritik.

Wie Balsam auf die Politikerseele dürften deshalb die in Prag und Bratislava gehörten Lobeshymnen auf Berlin wirken. "In Berlin verändert sich so vieles", schwärmte Prags Bürgermeister Jan Kasl. "Das fasziniert." Klaus Wowereit hielt sich mit ähnlich überschwenglichen Lorbeeren zurück. "Man sollte bei uns ja vorsichtig sein, Berlin mit einer anderen Stadt zu vergleichen."

Wohl überlegt formuliert er deshalb bei einem offiziellen Auftritt: "Für mich ist Prag die schönste Stadt ..." Und während die Gäste schon die Hände heben und zum Applaus ansetzen wollen, vollendet Wowereit den Satz nach einer Pause: " ... in Tschechien."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false