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Welche Sprüche werden geduldet, gegen welche Parolen müssen und dürfen die Beamten vorgehen? Darum gibt es auch innerhalb der Polizei Streit.

© dpa

Gaza-Demos in Berlin: Polizei streitet über den Umgang mit antisemitischen Parolen

Hochrangige Polizisten in Berlin fordern ein härteres Vorgehen gegen judenfeindliche Sprüche auf Demonstrationen. Sie werfen dem Präsidium vor, es werde zu lange gezögert - und zwar nicht nur bei den Gaza-Protesten.

Das Polizeipräsidium hat die Kritik eines ihrer Spitzenbeamten an den Einsätzen bei Gaza-Demonstrationen zurückgewiesen. Bereits am Montag habe Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers die Versammlungsbehörde angewiesen, dass die Parole „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf’ allein“ künftig verboten werde, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Die Versammlungsbehörde habe die Parole erstmals am Montagabend, also noch am gleichen Tag, bei der Demo vor der israelischen Botschaft per Auflage verboten, betonte Redlich. Sie war am Donnerstag vergangener Woche auf dem Kurfürstendamm oftmals und lautstark von hunderten Demonstranten skandiert worden. Der Einsatzleiter schritt jedoch nicht ein.

Der Leiter der Polizeidirektion 6, Michael Knape findet es „falsch“, dass diese Parole toleriert wurde. Derartige Sprüche gefährdeten die öffentliche Sicherheit, dabei sei es egal, ob sie als Volksverhetzung oder nur als Beleidigung eingestuft seien. Denn Juden und Israelis bekämen Angst, wenn „Jude, Jude, feiges Schwein“ offen skandiert werden.

Keine Volksverhetzung

Dass erstmals in Berlin eine derartig aggressiv-antisemitische Parole gebrüllt wurde, erfuhr das Polizeipräsidium erst am Freitag durch Presseanfragen. Entsetzte Augenzeugen hatten Videos der Palästinenserdemo ins Internet gestellt. Danach bat die Behördenleitung die Staatsanwaltschaft um eine rechtliche Prüfung. Die Antwort kam am Montag: keine Volksverhetzung, sondern nur eine Beleidigung. Und bei dieser könne die Polizei nur auf Antrag eines beleidigten Zeugen tätig werden, so die Darstellung des Präsidiums.

Der widersprach ein anderer Spitzenbeamter: Eine Beleidigung sei nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt, selbstverständlich könne die Polizei eingreifen. Dies galt früher auch: Der ehemalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte 2003 dem Tagesspiegel vor der Al-Quds-Demo gesagt: „Beleidigungen und Volksverhetzung werden gnadenlos unterbunden und verfolgt.“ Jene Demo-Regeln sind seitdem unverändert.

Meinungsunterschiede in der Polizeiführung

Hinter dem Streit steckt mehr, nämlich tiefgreifende Meinungsunterschiede in der Polizeiführung. Mehrere Spitzenbeamte sind unzufrieden mit der Linie, die Klaus Kandt und seine Vertreterin Koppers vorgeben. „Es gibt gar keine Linie mehr“, so ein hochrangiger Beamter. Es werde zu lange gezögert. Am Drama um die Gerhart-Hauptmann-Schule habe man gesehen, welche Konsequenzen dies haben könne. An der Cuvry-Brache in Kreuzberg stehe demnächst ein weiterer Großeinsatz bevor. Die Brache hätte sofort geräumt werden müssen, meinen viele Polizisten. „Anfangs standen da fünf Zelte“, sagte ein Spitzenbeamter; zur Räumung („Abwehr eines Hausfriedensbruchs“) hätten ein paar Bereitschaftspolizisten gereicht.

Nun stehen dort zweigeschossige massive Holzbauten, mit mehr als 100 Bewohnern. Will der Investor bauen, muss geräumt werden. Der Einsatz wäre vergleichbar mit dem an der Hauptmann-Schule. Der kostete alleine fünf Millionen Euro fürs Personal, bis zu 2000 Beamte waren tagelang im Einsatz. Seit den 80er Jahren gilt die „Berliner Linie“, dass frische Besetzungen innerhalb von 24 Stunden geräumt werden. Dass am Bethanien, am Oranienplatz, an der Hauptmann-Schule und der Cuvrybrache dagegen verstoßen wurde, ärgert viele.

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