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Berlin: Gazeteler Rückblick: Von Menschen und Gurken

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.Eigentlich wäre der Aufmacher der Europabeilage der Hürriyet als "Gurke des Tages" für die tägliche Kolumne der Tageszeitung (taz) geeignet gewesen.

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

Eigentlich wäre der Aufmacher der Europabeilage der Hürriyet als "Gurke des Tages" für die tägliche Kolumne der Tageszeitung (taz) geeignet gewesen. Aber bei dem "Exklusiv-Bericht" der türkischen Boulevardzeitung am Mittwoch ging es um die taz selbst. "Der Baumeister der Gurke des Jahres hat gesprochen", titelte die Hürriyet in großen Lettern und zeigte den in die Kamera grinsenden Redakteur der "Wahrheitsseite", Michael Ringel. Auf dem Foto hält er die taz-Ausgabe vom 24. November hoch. Die links-alternative Zeitung hatte zu ihrem Vorbericht über den Grünen-Parteitag in Rostock die Parteivorsitzende Claudia Roth in rot-grüner Abendgarderobe mit großformatig auf der Titelseite abgebildet und dazu die Überschrift "Gurke des Jahres" gesetzt.

"Michael Ringel hat den Vergleich verteidigt", schrieb die Hürriyet auf der Titelseite ihrer Europabeilage. "Da kam ein Journalist der Hürriyet vorbei, stellte einige Fragen, fotografierte und ging", erklärte der taz-Redakteur der "Wahrheitseite" dem Tagesspiegel. Ringel war überrascht, dass die Zeitung daraus einen Aufmacher gemacht hat. Bereits im Februar war Ringel bei vielen Moslems in Ungnade gefallen, weil die Hürriyet einen Artikel der "Wahrheitsseite" mit dem Titel "Mullahs immer klüger" übersetzt und kommentiert hatte. Auch Claudia Roth ist bei der Zeitung wegen ihrer kurdenfreundlichen Haltung nicht besonders beliebt.

Eigentlich sei der grüne Roth-Schal auf dem Originalfoto gelb, wurde Ringel weiter zitiert. Aber damit der Vergleich passe, sei der Umhang grün retuschiert worden. "Obwohl klar war, dass die Grünen mehrheitlich für die Entsendung von Soldaten nach Afghanistan sind, gab es darüber diese unnötige Diskussion. Das war meiner Meinung nach echt gurkig", wurde Ringel von der Hürriyet zitiert.

Wer hat hier etwas nicht verstanden? Verwirrend wirkt auf den zweisprachigen Leser die Hürriyet-Überschrift. Im Deutschen wird entweder eine sehr große, hässliche Nase als Gurke bezeichnet oder das Salatgemüse steht für etwas, was gut gemeint war, aber misslungen ist. In der türkischen Übersetzung heißt Gurke "h¤yar." Damit beschimpfen Türken jemanden, der ihrer Meinung nach dumm und richtig bösartig ist.

Auch der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble landete an diesem Tag auf der Titelseite. Allerdings war hier die Intention der Zeitung eindeutig. "Sie haben meine Behinderung ausgenutzt", zitierte ihn die Zeitung. Schäuble war zuvor in der ARD-Sendung "Beckmann" aufgetreten und hatte über seine Situation als Politiker im Rollstuhl gesprochen. Dem Schreiber des Artikels muss die Sendung sehr nahe gegangen sein. Denn die Zeitung ließ es in der Geschichte mächtig menscheln. "Wolfgang Schäuble, einer der Architekten der Wiedervereinigung sagte, er habe seinen Gegnern längst verziehen", hieß es in der Unterzeile. In kleinen Kästchen standen Schäuble-Zitate aus der Sendung: "Ich sehe mich im Traum nie im Rollstuhl" und "Ich habe eine zeitlang daran gedacht, mich aus der Politik zurück zu ziehen." Neben dem Text stand ein weiterer Kasten mit der Überschrift "Wie es geschah." Dazu zeigte das Blatt Bilder von ihm - im Rollstuhl und ohne Rollstuhl.

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