zum Hauptinhalt

Berlin: Gazeteler Rückblick: Von Tannenbaum und "Noel baba"

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.Das Weihnachtsfest haben die meisten Türken nicht gefeiert, aber die Tage danach standen in vielen Zeitungen dennoch ganz im Zeichen des Jahreswechsels.

Jeden Montag im Tagesspiegel: Ein Rückblick auf die in Berlin erscheinenden türkischen Tageszeitungen.

Das Weihnachtsfest haben die meisten Türken nicht gefeiert, aber die Tage danach standen in vielen Zeitungen dennoch ganz im Zeichen des Jahreswechsels. Auch die Türkei befindet sich im Jahre 2001 und feiert Silvester am 31. Dezember. Die Tageszeitung Milliyet hatte deshalb seit Mittwoch ein kleines Logo in ihrer Namenszeile auf der Titelseite: zwei Glöckchen, die mit einer roten Schleife und etwas Tannenzweig zusammen gebunden waren. Diese weihnachtliche Dekoration sollte das bevorstehende Silvesterfest einläuten, denn die meisten Türken beschenken sich zu Silvester wie die Christen zu Weihnachten. Nicht selten stellen sie kleine künstliche Tannenbäume auf, und bei den Silvesterfeiern im Fernsehen beschenkt sogar ein Weihnachtsmann die Menschen. Dann schreien natürlich die Traditionalisten auf, weil das christliche Symbole seien und Weihnachten ein christliches Fest sei. Im vergangenen Jahr verübte eine islamistische Gruppe, weil sie die Silvesterfeiern ablehnt, am Silvestertag sogar einen Bombenanschlag in Istanbul, bei dem zehn Menschen verletzt wurden.

"Jeder hält sich für einen Weihnachts-Experten", beschwerte sich am Sonntag ein Kolumnist der Tageszeitung Hürriyet. Nun wolle er endlich mal "die Dinge richtigstellen": "Der Weihnachtsbaum ist keine christliche Tradition, der Weihnachtsmann ist kein Heiliger der Christen und Isa (Jesus) wurde weder am Weihnachtstag noch zu Silvester geboren." Die Kirchen lehnten den Weihnachtsmann (für die Türken ist er der Noel Baba) sogar ab.

Hürriyet hatte am Mittwoch sogar eine ganze Weihnachtsseite. Die Zeitung berichtete über die "Noel-Begeisterung" in Europa. Dazu gab es Berichte und Bilder aus Frankfurt, Wien, Paris, Den Haag und Stockholm. Ein Foto zeigte eine deutsch-türkische Weihnachtsfeier in einer schmucklosen großen Halle, ein anderes zeigte deutsche und türkische Kinder, die in dieser Halle einen Weihnachsbaum schmücken. Und auf dem Bild unten übergab ein Vertreter der Moslems einem Vertreter der Christen mit ziemlich ernster Miene einen Präsentkorb.

"Frieden, Liebe und Arbeit", wünschten sich die Europa-Türken im neuen Jahr, schrieb am Donnerstag die Tageszeitung Milliyet. Dazu zeigte das Blatt zwölf Bilder von "Europa-Türken", ohne zu schreiben, aus welchen Teilen Europas sie stammen. Aber der Bericht kam aus Nürnberg und Köln.

Hürriyet berichtet am Sonnabend über den Herzenswunsch eines 11-jährigen Jungen aus Izmir. Ihm bescheinigten dem Blatt zufolge zahlreiche Experten, dass er ein hochbegabter Klavierspieler sei. Zurzeit sei er Schüler des staatlichen Konservatoriums, aber er würde gerne in der Musikakedemie in Berlin weiter lernen. Nun hoffe er, dass er einen Sponsor finde.

Die Tageszeitung Türkiye erinnerte am Sonntag daran, dass 40 000 Erdbeben-Opfer zum dritten Mal in behelfsmäßigen Unterkünften ins neue Jahr rutschen werden. An das Silvesterfest oder gar das Weihnachtsfest erinnerte nichts. Allerdings erinnerte eine Anzeige der islamisch-nationalen Organisation "Milli-Görüs" die Leser an eine ihrer Pflichten. "Mit Milli Görüs ist Hac (Haddsch) etwas Besonderes", warb die Organisation für die Fahrt zum heiligsten Ort der Moslems in Saudi-Arabien. 3580 DM kostet mit Milli Görüs solch eine Reise. "Hac 2002", lautete der Titel der Anzeige, und unter 2002 stand etwas kleiner das islamische Jahr: 1422.

Suzan Gülfirat

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false