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Wieder oben ohne. Drei Jahre lang gab sich die Gedächtniskirche hochgeschlossen, jetzt wird sie wieder freigelegt. Und am Sonntag ertönt erstmals auch wieder das Glockenspiel im alten Turm.

© epd

Gedächtniskirche wird enthüllt: Ding, dong zur vollen Stunde

Drei Jahre lang wurde der Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche saniert. Nun sind die Arbeiten fertig, der Turm wird enthüllt, das Glockenspiel ist wieder zu hören. Die Gemeinde feiert das am Sonntag mit einem Festgottesdienst.

Es wird ein feierlicher Moment sein. Punkt 12 Uhr, also gleich nach dem Festgottesdienst, soll das Glockenspiel im alten Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche erstmals wieder erklingen. Knapp drei Jahre lang wurde die Turmruine aufwendig saniert, nun sind diese Arbeiten weitgehend abgeschlossen. Während der Bauzeit war der Turm mit einem riesigen Gerüst umhüllt, das wie ein Hochhaus aussah. Noch verdeckt dieses Gerüst die größeren unteren Teile des Bauwerkes, doch die von Weltkriegsbomben stark beschädigte Spitze der als Mahnmal für den Frieden erhaltenen Ruine ragt bereits daraus hervor. Der markante abgebrochene Turmhelm und die filigrane Architektur der Glockenstube sind schon sichtbar. Nach und nach sollen nun auch die unteren Gerüstteile entfernte werden, je nachdem, wie rasch die letzten Sanierungsarbeiten im Inneren des Turmes vorankommen. Nur mit dem Gerüst am Sockel werde es noch etwas länger dauern, teilt die Gemeinde mit. Es soll erst Anfang 2014 fallen.

Die Turmruine war durch jahrzehntelang eingedrungenes Wasser stark beschädigt gewesen. Das wichtigste Ziel der Sanierungsarbeiten war deshalb, die Bausubstanz zu sichern und selbst die kleinsten Haarrisse im Mauerwerk zu schließen.

Auch das Glockenspiel im Turm wurden restauriert, so dass es nun wieder erklingen kann.

Aus neun Glocken besteht es, und es läutet zu jeder vollen Stunde eine Melodie, die Prinz Louis Ferdinand von Preußen komponiert hat. Der 1994 verstorbene Prinz machte sich einen Namen als Komponist, er vertonte auch Gedichte aus der Zeit der Romantik und komponierte den Fridericus-Rex-Gedenkmarsch. Nun wird die klingende Neun erstmals seit Herbst 2010 wieder nach seiner Melodie schlagen. Eine kleine Verschnaufpause im Alltagstrott, die besonders bei Touristen sehr beliebt ist.

Die Ur-Glocken der alten 1895 eingeweihten Kirche waren allerdings von ganz anderem Kaliber. Diese fünf Glocken wurden damals an Größe und Gewicht nur noch vom Geläut des Kölner Doms übertroffen. Ihr Dröhnen soll sogar die Wölfe im nahen Zoo zum Heulen gebracht haben. Die lang anhaltenden Wolfsrufe und das Kläffen der Köter mischten sich in den Friedensgruß der Glocken und den Jubel des Publikums, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. Ein Polizeioffizier zu Pferde sei zum Zoologischen Garten gejagt, um für Ruhe zu sorgen. Hergestellt hatte man die fünf Glocken aus der Bronze von erbeuteten Geschützen aus dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, mehr als vierzig Jahre lang taten sie ihren Dienst, bis sie im Zweiten Weltkrieg das gleiche Schicksal ereilte: Sie wurden angesichts der Materialnot zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Als man dann in den späten 50er Jahren daran ging, die Turmruine zu sichern, wurde das nun wieder in Betrieb genommene Glockenspiel eingebaut. Die sechs Glocken des Hauptgeläutes der Gedächtniskirche hängen heute im sechseckigen Turm des von Egon Eiermann entworfenen und 1961 eingeweihten Kirchenneubaus.

Drinnen im neuen Gotteshaus und draußen auf dem Breitscheidplatz werden sich die Menschen nun am Sonntag freuen, nicht nur über die akustisch-musikalische Ergänzung der täglichen Geräuschkulisse, jener zusätzlichen Fäden im Klangteppich, sondern vor allem, dass es den alten Turm bald wieder komplett zu bestaunen und vor allem zu fotografieren gibt, den man so lange gegen ein steriles Baugehäuse eingetauscht sah. Jauchzen und frohlocken wir also – und wünschen wir uns, dass die Sanierung diesmal länger vorhält als voriges Mal.

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