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Berlin: Gedenkveranstaltungen: Zur Klage kommt die Unsicherheit. Pfarrer Hartmut Walsdorff, ev., Dietrich-Bonhoeffer-Kirche

"Fassungslos waren wir zuerst, dann lagen wir uns in den Armen, weinten Tränen der Freude (..

"Fassungslos waren wir zuerst, dann lagen wir uns in den Armen, weinten Tränen der Freude (...) an jenem unvergesslichen Donnerstagabend im November 1989, als die Mauer aufging. (...) Genauso grenzenlos und wiederum fassunglos, diesmal aber auf radikal andere Weise sind wir zwölf Jahre später. (...) Schockiert, mit fast körperlichem Schmerz nehmen wir Anteil und suchen selbst nach Anteilnahme (...) Wie damals nehmen sich Menschen in die Arme und viele weinen. (...) Zur Klage über das abgrundtiefe Verbrechen kommen noch Unsicherheit und Angst vor der Zukunft. ( ...) Viele beten, selbst die, die sonst sagen, sie glauben nicht an Gott (...) An Gott glauben - ich habe in den ersten schlaflosen Nächten seit Dienstag in Dietrich Bonhoeffers Tagebuch seiner Amerikareise von 1939 gelesen. Er war so gerne in New York, wie viele von uns. In Deutschland liefen Hitlers Vorbereitungen zum Holocaust und zum Krieg mit der Welt. In dieser Zeit fragte er sich, wo ist denn nun Gott in der Not, wo ist noch Raum für Gott! Bonhoeffers Antwort: Wenn wir zutiefst redlich sind, erkennen wir: Wir müssen nun mal in der Welt leben - etsi deus non daretur - als ob es Gott nicht gäbe. (...) Der Gott, der mit uns ist, ist derselbe Gott, der uns auch fern sein kann - so wie Jesus ruft: Mein Gott, warum hast du mich verlassen. (...) Damals, im November 89, sind viele von uns an die verhasste Mauer gegangen, um ein Stückchen herauszuklopfen, um nicht zu vergessen, wozu Menschen fähig waren (...) Gestern zeigte ein Mann inmitten der Schuttberge Manhattans eine Tüte, die er mit Staub gefüllt hatte, den die Steinwolken hernieder regneten: "Da ist etwas drin von uns allen in diesen Tagen."

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