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Berlin: Gedoubelte Professoren und falsche Doktoren

34-jähriger Schauspieler muss sich vor dem Landgericht wegen des Handels mit gefälschten akademischen Titeln verantworten. Der Angeklagte

Der Schauspieler gefiel sich in seiner Rolle. „Ich bin engagiert worden, um den Professor zu doubeln, es funktionierte hervorragend“, lobte sich Norbert W. Vor ihm saßen Rechtsanwälte, Steuerberater, Banker. „Alles Hochstudierte, Leute, die in die Vorstandsetage wollten.“ Allerdings mit einem falschen und erkauften Baustein in der Biographie. Gegen die vier Männer, die ihnen zu einer Würde verholfen haben sollen, die ihnen nicht gebührt, wird seit gestern wegen Betruges und Urkundenfälschung vor dem Berliner Landgericht verhandelt.

Es geht um einen Handel mit gefälschten Doktortiteln deutscher Universitäten. Über 70 Mal sollen die Angeklagten tätig geworden sein. Bis zu 43 971 Euro zahlten die nach akademischer Auszeichnung gierenden Kunden. Laut Anklage kassierten die Betrüger zwischen 2000 und Anfang 2002 insgesamt 1,2 Millionen Euro. Als Hauptangeklagter sitzt der 34-jährige Martin D. auf der Anklagebank. Er betrieb am Kurfürstendamm die Firma „Akademus – Kanzlei für Wissenschaftsberatung“. Den Kunden soll er suggeriert haben, dass sie den Doktortitel bei ihm ganz legal erwerben würden.

Das Unternehmen Titelbeschaffung lief offenbar wie am Schnürchen. „Es ging um Karriere und Eitelkeiten, die Kunden hatten wenig Zeit, aber Geld“, sagte Martin D. vor Gericht. „Das Maß aller Dinge war der Eintrag des Titels in den Personalausweis.“ Er sei über zwei Männer aus Hamburg ins Geschäft gekommen. Als angebliche Mitglieder eines Fördervereins der Uni Hamburg hätten sie ihm von einem Modell für externe Doktoranden berichtet. Kurz nach der Abgabe der mit Hilfestellung erarbeiteten Dissertation sei den „Externen“ gegen Zahlung einer Spende die ersehnte Urkunde ausgehändigt worden – „das war wie auf der Überholspur durch die Hintertür“.

Nach zwei Jahren habe er entdeckt, dass die Männer aus Hamburg „geniale Fälschungen“ verkauften. „Ich habe mich entschlossen, mitzumachen", gestand der Hauptangeklagte. Für die Dissertationen fand er den Berliner Carlo G., der die Arbeiten gänzlich oder zum Teil geschrieben haben soll. Der erkaufte Titel soll so manchem Kunden großen Erfolg gebracht haben. Einer von ihnen wurde sogar Professor an einer Fachhochschule in Bayern, musste aber nach Aufdeckung des Schwindels in Schande abtreten. Auch ein ehemaliger BKA-Beamter wollte sich mit einem akademischen Grad schmücken, Immobilienmakler oder Kfz-Sachverständige. Ein 70-jährigen Pfarrer soll einen Titel gekauft haben, damit er auf dem Grabstein steht.

Der falsche Professor W. beteuerte vor Gericht, dass er nie auf die Idee gekommen sei, „dass das ein falsches Ei ist“. Ihm sei bei seinen 46 „Auftritten“ als Doktorvater stets gesagt worden: „Spring mal ein, der Professor hat keine Zeit.“ Dafür habe er von seinem langjährigen Freund D. jeweils 50 bis 100 Euro erhalten. Aus seiner Sicht hatte D. eine „super Marktlücke“ entdeckt. Ein echter Professor, der an der Freien Universität in Berlin lehrte, saß mit im Gerichtssaal. Über zwanzig Mal spielte der 54-jährige W. den Bank- und Finanzwirtschaftler Heinz-Günter Geis. Der echte Professor desselben Namens stand drei Wochen lang sogar unter dem Verdacht der Bestechlichkeit. Jetzt betrachtete er sein Double mit einem Lächeln. „Eine gewisse Ähnlichkeit im Gesicht ist da“, urteilte der Original-Professor.

Kerstin Gehrke

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