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Gefährdetes Idyll: Wie kann man den neuen Park am Gleisdreieck schützen?

Im Park am Gleisdreieck müssen ständig Müll und Graffiti entfernt werden. Es gibt verschiedene Vorschläge, was dagegen zu tun ist. Was denken Sie? Diskutieren Sie mit!

Ein herrlicher Ort zum Verweilen. Diese Flächen mit dunkelgrauen und bräunlichgrünen Wackersteinen zwischen den Hainen erinnern an spirituelle japanische Steingärten. Jetzt rauscht im neuen Kreuzberger Park auf dem historischen Bahngelände am Gleisdreieck ein ICE vorbei. Die Bahntrassenwand ist mit bunten Graffiti besprüht, das ist dort sogar erlaubt, dem Ausdrucksbedürfnis wollen Deutsche Bahn und Nutzergesellschaft Grün Berlin zumindest an den Wänden Raum lassen. „Mahlzeit“, grüßt einer der Parkwächter den Mann mit seinem kleinen weißen Hund, der auf der mit Tag-Schriftzügen vollgeklierten Sitzbank eine Pause macht. „Können Sie Ihren Hund bitte anleinen?“ Kann er.

Langes Wochenend-Idyll am Wiedervereinigungsmontag im 8,6-Millionen- Euro-Park. Alle so schön grün hier, kaum Müll auf den Rasenflächen, der Park ist gut besucht. Die hellen weiten Holzbänke strahlen wohlige Wärme aus. Die Drainage, die, so sah es erst aus, herausgerissen wurde, ist durch Unterspülungen der Böschung nach Regen verschoben worden, sagt Parkstammgast Josef Lückerath. Wo ist in diesem Park einen Monat nach seiner Eröffnung denn das Problem?

Man sieht es am besten spätabends und frühmorgens. Wenn wieder die Putzkolonnen Autos mit Müll vollladen; große Container gibt es hier nicht. Wenn Scherben weggeschleuderter Flaschen zusammengekehrt, die Tag-Schriftzüge auf den grauen runden Mülleimern übergemalt und die Graffiti von den Bänken geschliffen werden. Die Sitzfläche wird wohl immer dünner mit den Jahren. Schilder wurden samt Betonsockel rausgerissen, im Tümpel versenkt. Ein gefährdetes Idyll ist der neue Ost-Park, der Westteil wird bald für 10 Millionen Euro in einen Vorzeigepark verwandelt. Im Ostteil blieben 40 Prozent der wilden Flächen des Anhalter Bahnhofs und des Potsdamer-Platz-Logistikbahnhofs unberührt. Soll man alles sicherheitshalber umzäunen, um den Park nachts vor Provokateuren zu schützen?

Was sagen Politiker und Experten? Lesen Sie weiter auf Seite 2.

„Das wäre gut, und die beste Referenz ist die Tempelhofer Freiheit“, sagt Christoph Schmidt, Geschäftsführer der Grün Berlin GmbH. Wenn der Gleisdreieck-Park etwa zwischen 24 und 6 Uhr über Drehkreuze versperrt wäre, „würde das die Müll- und Scherbenproblematik entschärfen und dem geschützten Park eine andere Wertigkeit verschaffen“, findet Schmidt. Er ist aber gegen Eintritt. „Das lehne ich auch ab“, sagt Kurt Wansner, Kreuzberger CDU-Innenpolitik-Experte, „dann könnten sich viele Leute den Besuch nicht leisten.“ Aber Sperren vor die Eingänge zum Schutz des Parks, „wenn es nicht anders geht, okay“. Parkgast Claudia Kröning, 61, aus Wilmersdorf, stimmt dem zu: „Das wäre sinnvoll, denn Berlin hat doch kein Geld, erst recht nicht für Sonderreinigungsausgaben.“

Ihre Freundin Petra Armonies, 59, sieht das anders. Sie gönnt es jungen Leuten, in so einem Park nachts sturmfreie Bude zu haben, wie sie es in ihrer Jugend genießen durfte, sagt sie lachend. Kreuzbergs Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) ist ebenfalls dagegen; der Parkbesuch sei ein Bürgerrecht. Auch die Senatsstadtentwicklungsverwaltung hält die Fragestellung für abwegig. „Wollen wir einige wenige die Interessen der Mehrheit kaputt machen lassen?“, fragt Verwaltungssprecher Mathias Gille. „Niemand käme doch auf die Idee, Tiergarten, Hasenheide oder Viktoriapark zu umzäunen, obgleich es da auch mal Tags und Müllhaufen gibt.“

Parkbeobachter regen an, jetzt in kleinen Dingen nachzubessern, es zeigt sich etwa, dass Kletterwände für Jugendliche fehlen sowie Barrieren für Radler auf den schrägen Zugangswegen, um gefährlichen Kollisionen vorzubeugen. Jetzt sollen auch Projekte mit Schulen im Kiez geprüft werden, um die Eigenverantwortung zu stärken.

Eine Touristin aus Stockholm auf Fotosafari im Park hat bei der Zaun-Debatte eine eigene Sicht. „Muss man denn immer gleich mit Zuschließen reagieren?“, fragt sich die junge Mutter aus Schweden. „Besser wäre es doch, zu gucken, wer da was aus welchem Grund macht, anstatt dass ihr Berliner nun wieder eine Mauer hochzieht“, sagt die Schwedin.

Abschließen ist besser als aufgeben, findet Klaus Kurpjuweit. Lesen Sie weiter auf der nächsten Seite.

PRO

So ist das leider in Berlin: Was viele oft mühe- und liebevoll aufbauen, wird von wenigen in der Regel umgehend beschmiert oder zerstört. Wie jetzt wieder im neu eröffneten Park Gleisdreieck. Ob es Vandalen sind, die nichts im Kopf haben, oder Spinner, die meinen, auf diese Weise protestieren zu müssen, weil sie sich eine andere Anlage vorgestellt haben, ist dabei egal. Denn mit Argumenten ist da generell nichts auszurichten.

Deshalb muss es möglichst schwer gemacht werden, sich so auf Kosten der Allgemeinheit auszutoben. Ja, ein abschließbares Gelände kann dabei helfen. Dies zeigt sich bereits am ehemaligen Flughafen in Tempelhof. Und der Park am Gleisdreieck ist schon zum Teil von Mauern und Zäunen umgeben, so dass die gelungene Anlage ohne viel Aufwand geschützt werden kann. Am Morgen einen Park ohne Graffiti, zerschlagene Flaschen oder wahrscheinlich bald auch gebrauchte Spritzen vorzufinden, ist mehr wert als die vermeintliche Freiheit einiger, dort nachts Gelage abzuhalten. Und selbst wenn der Durchgang dann nicht mehr möglich ist, wäre dies zu verschmerzen.

Wer will schon wirklich nachts durch eine Anlage gehen oder mit dem Rad fahren, die völlig ungeschützt und auch noch fast menschenleer ist? Dieser aufwendig angelegte Park ist jedenfalls viel zu schön, um ihn einfach Chaoten und Vandalen zu überlassen. Abschließen ist besser als aufgeben. Klaus Kurpjuweit

"Jede Stadt hat die Parks, die zu ihr passen", widerspricht Lars von Törne.

CONTRA

Wer sich häufiger im Mauerpark aufhält, kann über die Diskussion über den neuen Park am Gleisdreieck nur schmunzeln. Besucher des Areals zwischen Prenzlauer Berg und Wedding sind Schlimmeres gewohnt als das, was man jetzt aus Kreuzberg hört. Müll, Grillreste, Brandflecken, Scherben, Schmierereien prägen das Bild vor allem nach den Wochenenden. Schön ist das nicht, zugegeben. Und trotzdem geht man auch am nächsten lauen Sommerabend gerne wieder in den Mauerpark. Nur weil es aussieht wie auf einer Müllkippe, lassen wir uns doch nicht davon abhalten, eine gute Zeit zu haben. Diejenigen, die den Mauerpark trotz seines wilden Aussehens mit Leben füllen, machen aus der Not eine Tugend. Gerade an den Wochenenden, wenn Karaoke und spontane Konzerte, Freiluft-Partys und der Flohmarkt die Menschen in Scharen anziehen, vergisst man nach kurzer Zeit, wie verrottet und ungepflegt der Park ist. Er ist ein lebendiger Ort der Begegnung, auch wenn er nicht aussieht wie der Kurpark von Bad Harzburg. Natürlich kann man darauf hinweisen, dass es woanders ja auch geht. Mag schon sein, aber dafür ist dort eben nicht Berlin und hier, zum Glück, nicht Bad Harzburg. Vielleicht sollten wir uns einfach damit abfinden, dass Parks hier nun mal so aussehen wie sie aussehen und damit leben, dass von unseren Steuern bezahlte Putz- und Reparaturkolonnen sie regelmäßig wieder benutzbar machen. Jede Stadt hat die Parks, die zu ihr passen. Lars von Törne

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