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Alles klar geregelt. Auch für den Fall, dass ein Richter überlastet ist. Trotzdem gibt's Pannen.

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Gefährliche Sexualtäter in Berlin entlassen: Scharfe Kritik an Pannen-Richter

Zwei als gefährlich eingestufte Sexualtäter wurden in Berlin aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Nach dieser Justizpanne fordern Berliner Abgeordnete Konsequenzen.

Nach Bekanntwerden einer Justizpanne, durch die zwei als gefährlich eingestufte Sexualtäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden mussten, haben Berliner Abgeordnete Konsequenzen gefordert. „Der Richter muss am Montag früh einbestellt werden und Rede und Antwort stehen“, sagte der SPD-Rechtsexperte Tom Schreiber: „Das muss disziplinarrechtliche Konsequenzen haben, nun ist der Justizsenator gefragt.“ 

Durch einen Bericht des Tagesspiegels war am Sonnabend bekannt geworden, dass durch einen offenbar überlasteten Vorsitzenden Richter an einer Strafvollstreckungskammer zwei Männer aus Tegel frei kamen. Der eine Täter saß seit 2003 wegen sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in 17 Fällen. Der 1983 geborene M. saß wegen Vergewaltigung einer Schwangeren mit vorgehaltener Schusswaffe. Schreiber sagte, dass es für die Opfer hochtraumatisch sein müsse, wenn sie nun von der Freilassung erfahren.

„Richter sind keine Könige“, sagte der grüne Abgeordnete Dirk Behrendt, der selbst Richter ist. Allerdings gebe es Konsequenzen nur sehr selten, nämlich dann, wenn Richter die Arbeit ganz einstellen. Theoretisch seien Abmahnungen, Gehaltskürzungen und sogar die Entfernung aus dem Dienst möglich. Die Aufsicht über die Richter haben die jeweiligen Gerichtspräsidenten, sie können milde Sanktionen verhängen. Für scharfe Sanktionen müsste der Gerichtspräsident das Richterdienstgericht anrufen. Letztlich trauen sich die Präsidenten nur selten ran, sagte Behrendt: „Es wird sehr großzügig zugunsten der Kollegen entschieden.“ Der CDU-Abgeordnete Andreas Gram hatte schon vor Jahren – nach einer ähnlichen Justizpanne –  gesagt: „Richter sind nicht sakrosankt. Jeder Beamte, der Mist baut, muss mit Konsequenzen rechnen.“ Wie berichtet, will die Justizverwaltung die Entscheidungen des Gerichts – wie üblich – nicht kommentieren.

Eine erfahrene Richterin sagte dem Tagesspiegel: „Es ist schwer vorstellbar, wie so etwas passieren kann. Das System bietet genug Kontrollmöglichkeiten.“ Ein langjähriger Richter war fassungslos: „Unvorstellbar, dass dies in einem Strafvollstreckungsverfahren passiert. Die Richter müssen vor allem darauf achten, dass Gutachter rechtzeitig beauftragt werden und fristgerecht liefern.“

Das System ist so aufgebaut: Am Ende eines Jahres macht das Präsidium eines Gerichts die Geschäftsverteilung für das neue Kalenderjahr. Das bedeutet, es legt nach abstrakten Kriterien fest, welche Kammer für welche Verfahren zuständig ist. Damit wird sichergestellt, dass vor dem Eingang eines Verfahrens feststeht, welcher Richter dafür zuständig ist.

Dieser Geschäftsverteilungsplan darf nur durch das Präsidium selbst geändert werden und nur, wenn sachliche Gründe vorliegen. Und einer dieser Gründe könnte die Überlastung einer Kammer sein. Wenn sie dann Alarm schlägt, verteilt das Präsidium bestimmte Fälle neu.

Fühlt sich ein Richter überlastet, dann kann innerhalb einer Kammer die Arbeit neu verteilt werden. Allerdings gibt es auch Dinge, die nur der Vorsitzende einer Kammer erledigen kann.

Ein überforderter Richter ist zu einer Überlastungsanzeige verpflichtet und muss Präsidium oder Verwaltung informieren. Das Präsidium reagiert dann möglicherweise mit einer Neuverteilung von Fällen oder einem Personaltausch. „Aber wenn ein überlasteter Richter nicht kommuniziert, kann das Präsidium auch nichts machen“, sagt die Richterin.

Doch es gibt ja noch Kollegen, sprich weitere Kontrollmöglichkeiten. In erster Linie müssten die weiteren Richter einer Kammer sehen, dass ihr Kollege Probleme hat und ihn entlasten oder das Präsidium informieren. „Auch die Geschäftsstelle müsste erkennen, dass Akten nicht korrekt geführt werden“, sagt die Richterin. Und was ist mit Anwälten und Staatsanwaltschaft? „Denen müsste doch auch auffallen, dass Anfragen nicht beantwortet werden beziehungsweise das Verfahren nicht betrieben wird.“

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