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Thomas Heilmann

© Kitty Kleist-Heinrich

Gefängnisse: Justizsenator überprüft 250 Freigänger

Werden Verurteilte in Berlin zu leicht als Freigänger eingestuft? Berliner Staatsanwälte hatten den Umgang mit dem offenen Vollzug kritisiert – dabei gibt es statistisch wohl nur in weniger als einem von 1000 Fällen überhaupt Probleme.

Auf den Fluren der Berliner Gerichte, in den Diensträumen der Haftanstalten und bei vielen Bewährungshelfern hat das neueste Vorhaben von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) zumindest Neugier ausgelöst. Heilmann lässt in diesen Tagen überprüfen, ob zahlreiche Verurteilte in Berlin womöglich zu leicht als sogenannte Freigänger in den offenen Vollzug kommen.

Anders als im geschlossenen Strafvollzug können Häftlinge dabei tagsüber einer Arbeit nachgehen, in einem Verein helfen und sich gewissenhaft auf die Zeit nach der Strafe vorbereiten – sie werden nur nachts in den Zellen ihrer jeweiligen Anstalt eingeschlossen. Und das trotz der von einigen geäußerten Bedenken offenbar mit Erfolg: Nach Auskunft der Sprecherin der Justizverwaltung begeht im Schnitt höchstens einer von 1000 Verurteilten während des offenen Vollzugs eine Straftat, auch wenn es eine Dunkelziffer unentdeckter Fälle geben mag.

Justizsenator Heilmann hat dennoch eine Richterin damit beauftragt, die Werdegänge von 250 Häftlingen zu evaluieren. Sie schaut in die Akten von Männern aus verschiedenen Gruppen von Verurteilten, um einen Eindruck über die Lage von Freigängern zu gewinnen. Anlass ist die Kritik der Vereinigung der Berliner Staatsanwälte. Sie hatte schon vor zwei Wochen die Praxis des offenen Vollzugs in der Hauptstadt angeprangert: Die Vollzugsanstalten würden verurteilten Straftätern leichtfertig oft den offenen Vollzug genehmigen. Die Haftanstalten haben dabei einen Spielraum. Vor allem bei Tätern, die zu wenigen Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden sind, wird oft ein offener Vollzug ermöglicht. Die Vereinigung Berliner Staatsanwälte erklärte, dass in einem Einzelfall auch eine mehrjährige Freiheitsstrafe wegen eines versuchten Tötungsdeliktes einer Aufnahme im offenen Vollzug nicht entgegengestanden habe.

In Berlin verbüßen laut Justizverwaltung derzeit etwa 1100 Verurteilte ihre Strafe in einer der vier Anstalten des offenen Vollzugs, zwei davon Spandau, eine in Düppel in Zehlendorf und eine in Heiligensee (Reinickendorf). Insgesamt sitzen knapp 4200 Strafgefangene in Berlin ein, die meisten davon in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Weil die Praxis des offenen Strafvollzugs in Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern liberaler sei, erklärten die Staatsanwälte, würden auswärtige Verurteilte vor Strafantritt ihren Wohnsitz nach Berlin verlegen oder bei andauernder Haft den Antrag stellen, die Strafe in Berlin verbüßen zu können – um in der Hauptstadt dann in den offenen Vollzug zu kommen. Anwälte bestätigten dies für Einzelfälle.

Allerdings sieht die Berliner Praxis in vielen Fragen des Strafvollzuges vergleichsweise schlecht, mindestens aber wenig liberal aus. Das Land zählt bei der üblichen Entlassung nach zwei Dritteln der ursprünglich angeordneten Haftdauer seit Jahren bundesweit zu den Schlusslichtern. Immer wieder hatten Bewährungshelfer – vor allem unter dem früheren Senat – über fehlendes Personal geklagt. Für eine vorzeitige Entlassung sind aber gesetzliche Betreuer oder Therapeuten vorgeschrieben, und die fehlen in Berlin oft. In den vergangenen Jahren war der Berliner Strafvollzug vielfach kritisiert worden.

Und so warnen auch die Grünen, in der Debatte über den offenen Vollzug das Gebot der Resozialisierung zu vergessen. „Der Senator tut gut daran, die fortschrittlichen Aspekte der Strafvollzugspraxis zu berücksichtigen“, sagte Dirk Behrendt, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. Am Prinzip des offenen Vollzuges solle jedenfalls nicht gerüttelt werden, auch mit Blick auf die ohnehin geringe Zahl von Freigängern, die den offenen Vollzug für eine neue Tat nutzt. In Einzelfällen hat es zwar auch gewaltsame Übergriffe von Gefangenen im offenen Vollzug gegeben. Von den wenigen, die aber überhaupt auffällig werden, werden die meisten wegen Trunkenheit oder Fahrens ohne Führerschein aktenkundig.

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