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Das Bettenhochhaus der Charité am Campus Mitte.

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Update

Gehortete 40 Millionen Euro: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen "Verantwortliche" an der Charité

Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Berliner Charité wegen der gehorteten 40 Millionen Euro Drittmittel, die außerhalb der offiziellen Bilanzen verbucht wurden. Klinik-Chef Einhäupl widerspricht der Kritik - und erhält Rückendeckung aus dem Abgeordnetenhaus.

Wegen der an der Charité fragwürdig verbuchten 40 Millionen Euro ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Am Mittwoch sei von Amts wegen "gegen Verantwortliche wegen des Verdachts eines Bilanzierungsdelikts" ein Verfahren eingeleitet worden, bestätigte ein Sprecherin der Behörde. Um wen genau es sich dabei handele, erklärte die Staatsanwaltschaft nicht. Die Gelder waren von Wirtschaftsprüfern im Zuge der üblichen Jahresbilanzierung auf Konten der Fakultät der Universitätsklinik entdeckt worden, also nicht auf Konten in den Abteilungen für Krankenbehandlung.

Ebenfalls am Mittwoch äußerte sich Charité-Chef Karl Max Einhäupl - und gab in Zusammenhang mit den verbuchten Millionen Bilanzierungsprobleme zu. Gleichzeitig ging er aber davon aus, dass kein Forschungsgeld an der Charité zweckentfremdet worden sei. „Ich habe keinen Hinweis, dass die Mittel nicht sachgerecht genutzt werden“, sagte Einhäupl im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. Er sehe den Ermittlungen "gelassen" entgegen. Er könne sich nicht vorstellen, dass etwas „staatsanwaltschaftlich Relevantes“ vorliege. Auch Kenner des Wissenschaftsbetriebes gehen davon aus, dass es sich bei den über Jahren angehäuften Geldern aus Drittmitteln zwar um einen politisch fragwürdigen, aber nicht strafrechtlich relevanten Vorgang handele.

Einhäupl sieht den Ermittlungen "gelassen" entgegen

Seit einer Woche wird über das Finanzgebaren der Charité diskutiert. Wirtschaftsprüfer hatten die Jahresbilanz der Uniklinik nicht abgesegnet, weil überschüssiges Forschungsgeld falsch verbucht worden sei, das die Klinik über Jahre ansammelte. Ein heikler Vorgang, schließlich kann der Eindruck entstehen, die Charité horte Geld, obwohl sie als unterfinanziert gilt.

Dem widersprach Einhäupl im Abgeordnetenhaus. Die Charité habe Geld für dringend nötige große Investitionen ansparen wollen – etwa für neue Großgeräte und für die vielen anstehenden Berufungen von Professoren. „Jede Berufung kostet uns ein bis zwei Millionen Euro.“ Im Kern handele es sich bei dem Geld um überschüssige „Overhead“-Mittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Bundesforschungsministeriums. Unter dem „Overhead“ versteht man einen pauschalen Zuschlag für Forschungsprojekte, den die DFG in Höhe von zwanzig Prozent der Fördersumme gewährt. Die Hochschulen sollen damit indirekte Infrastruktur-Kosten von Projekten – etwa Miete für zusätzliche Gebäude oder Wartung von Geräten – bezahlen. Dass sie ihren „Overhead“ für Investitionen „ansparen“, wie die Charité es machte, stellt die DFG nicht infrage.

Charité-Chef gibt mangelnde "Sichtbarkeit" der Gelder in Bilanzen zu

Doch die Abrechnung der überschüssigen Overhead-Mittel sei ein bilanztechnisches Problem, das nicht nur die Charité betreffe, sagte Einhäupl. In der Vergangenheit habe man die Überschüsse als „Verbindlichkeit“ bilanziert, weil sie bereits verplant seien. Zur Folge hatte das aber, dass die Mittel in der Bilanz als „Nullsumme“ auftauchten. Es war also nur für Eingeweihte erkennbar, welche riesige Summe sich dahinter tatsächlich verbarg. Das Problem wurde offensichtlich dadurch verschärft, dass der Wirtschaftsplan für die Forschung bisher nicht durch das interne Controlling der Charité geprüft wurde. „Die thesaurierten (einbehaltenen, die Red.) Overhead-Mittel waren nicht mehr im Charité-Haushalt abgebildet“, gab Einhäupl zu.

Von „schwarzen Kassen“ könne aber keine Rede sein. Erst jetzt hätten die Prüfer darauf bestanden, überschüssigen Overhead als „Gewinn“ auszuweisen und zusammenzuzählen. Einhäupl versprach künftig Transparenz. Der Wirtschaftsplan für die Forschung solle ebenfalls durch das Controlling geprüft werden. Auch solle eine Aufstellung erfolgen, wie das Geld tatsächlich ausgegeben werden soll. Einhäupl bat darum, das System der Overhead-Mittel nicht infrage zu stellen. Diese würden weiter „flexibel“ gebraucht.

Abgeordnete halten sich mit Kritik zurück

Regierung wie Opposition vermieden im Ausschuss Kritik an Einhäupl. Vertreter aller Parteien waren sich einig, zunächst die von Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) angekündigte „Tiefenprüfung“ abzuwarten. Lars Oberg (SPD) sagte, bei der Ansammlung des Geldes handele es sich um einen „zutiefst rationalen und politisch zu unterstützenden Vorgang“. Allerdings müsse gewährleistet sein, dass alle Beteiligten wissen, wofür gespart wird. Martin Delius von den Piraten sagte: „Bei der Charité handelt es sich nicht um einen Bischofssitz, wo vergoldete Wasserhähne eingebaut werden.“ Es sei nachvollziehbar, dass so Wissenschaft finanziert werden sollte. Nun müsse ein „besserer“ Weg gefunden werden, Mittel anzusparen.

Die Probleme offenbaren auch Verwerfungen im Charité-Vorstand. Einhäupl machte bei seinem Statement im Ausschuss indirekt die für die Forschungsfinanzen zuständige Dekanin Annette Grüters-Kieslich verantwortlich, ohne allerdings ihren Namen zu nennen. „Auch ich habe eine Zeit gebraucht, um zu verstehen, was hier bilanziell geschieht“, sagte Einhäupl.

Grüters-Kieslich hatte sich schon am Montag in einem Brief an den Aufsichtsrat, zu dem Senatorin Scheeres gehört, verteidigt. Einen „Schattenhaushalt“ habe es nicht gegeben, schreibt Grüters-Kieslich, vielmehr seien die zurückgelegten Gelder übliche Drittmittel, „die der Zweckbindung unterliegen und für die eine Verwendungsplanung“ bestehe. In dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt, schreibt die Dekanin aber auch, es sei nachvollziehbar, dass „die politisch Verantwortlichen und die Berliner Bürger (...) wenig Verständnis für eine nicht ausreichende Transparenz“ haben. „Diese Situation ist erkannt und wird zukünftig durch veränderte Information schnellstmöglich verbessert werden.“

Personalmangel: Pflegekräfte drohen mit Warnstreik

An der Charité verhandeln derzeit Pflegepersonal und Vorstand hart um einen Kompromiss. Sollte die Klinik nicht einen Vorschlag zur besseren Personalausstattung machen, soll es am Montag zum Warnstreik kommen. Unstrittig ist, dass die Stationen der Charité wie in vielen anderen Kliniken seit Jahren knapp besetzt sind.

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