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Berlin: Geisel-Drama: „Ich hab’ auf Mitleid gemacht“

Martin H. lieferte Pizza mit Spinat und Gorgonzola – da zog der Kunde eine Pistole

Am Tag danach ist der Pizzabote Martin H., 19 Jahre aus Alt-Marzahn, noch fix und fertig. Nach der Vernehmung bei der Polizei am Vormittag muss er sich erst einmal schlafen legen. Dann schaut er kurz bei seinem Arbeitgeber, dem Lieferservice „Hallo Pizza“ vorbei – um Hallo zu sagen. Am Abend zuvor war er knapp zwei Stunden in der Hand eines Geiselnehmers. wie in einem Teil der Auflage berichtet. Das steckt ihm noch in den Knochen.

Es war gegen 19.30 Uhr am Dienstagabend, als Martin H. in ein Hochhaus in der Allee der Kosmonauten in Lichtenberg gerufen wurde: Ein Mann hat eine „Pizza Spinat und Gorgonzola“ bestellt. Ein Auftrag wie jeder andere – dachte er. Der Schüler Martin H. arbeitet nebenbei als Pizzabote, um sich ein wenig Geld dazu zu verdienen. Mit seinem blauen Opel Astra fährt er hin, klingelt an der Haustür des Kunden im 1. Stock. Marc R., 37, öffnet die Tür. „Er hat gesagt, er kommt gleich wieder. Ich dachte, er wolle nur Geld holen, doch dann hat der plötzlich eine Pistole in der Hand und zwingt mich, reinzukommen“, schildert Martin H. Doch Nachbarn sehen im Flur, was passiert. Sie alarmieren die Polizei.

„Er wollte unbedingt selbst mit der Polizei Kontakt aufnehmen. Er hat gesagt, dass er in die Psychiatrie möchte, ihn aber bisher noch keiner ernst genommen hat.“ Dann befiehlt der Geiselnehmer dem Pizzaboten, bei der Polizei anzurufen. „Ich habe 110 auf meinem Handy gewählt, vor seinen Augen. Mit der Polizei gesprochen und dann das Handy angeschaltet auf einen Schrank in der Einzimmerwohnung gelegt.“ Inzwischen sperren die Beamten das Gebiet rund um das Hochhaus ab, die Mieter dürfen weder rein noch raus. Das Spezialeinsatzkommando (SEK) macht sich bereit. „Der Täter hat mir erzählt, dass er psychisch krank ist und unter starken Stimmungsschwankungen leidet“, erzählt Martin H. „Ich hab’ dann auf Mitleid gemacht, ihm erzählt, dass ich durchs Abitur gefallen bin, was auch stimmt.“ Nach anderthalb Stunden habe es dem Täter schon Leid getan, dass er Martin H. als Geisel genommen hat. „Er wollte eigentlich einen verwöhnten Schnösel.“ Einmal noch kippt die Stimmung: Der Geiselnehmer zerrt sein Opfer auf den Balkon, hält ihm die Pistole an die Schläfe, feuert Warnschüsse in die Luft. „Da war Gas in der Patrone, meine Augen brannten. Aber er hat mir auch gleich Taschentücher und Wasser gereicht.“ Dann lässt er Martin H. gehen. Als der die Tür öffnet, stürmt auch schon das SEK hinein und überwältigt den Täter.

Gestern Abend ist Marc R., der aus Sachsen stammt, dem Haftrichter vorgeführt worden. Der Leiter der 3. Mordkommission, Klaus Ruckschnat, sagt: „Wir halten den Täter für voll schuldfähig. Die Tat war gezielt geplant. So wurde sie auch ausgeführt.“ Für eine Einweisung in die Psychiatrie gäbe es keine Voraussetzung. „Der Mann ist kein völlig Bekloppter, der steht voll im Leben.“ Marc R., der als Dachdecker gearbeitet haben soll, sei aber schon mal in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. „Sein Wunsch war es nun, in eine psychiatrische Einrichtung zu kommen. Und er hat keinen anderen Weg gesehen, als diese Tat“, sagt Ruckschnat.

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