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Ohne Worte. Nicht nur die S-Bahn war am Freitag teilweise ausgefallen, sondern auch die Kundeninformation.

© dpa

Gelähmte S-Bahn und Tariferhöhungen: Brennende Probleme im Nahverkehr

Wieder lähmt ein Feuer am Ostkreuz die S-Bahn: Fast anderthalb Tage gab es um das Ostkreuz herum nur eingeschränkten S-Bahn-Verkehr. Währenddessen streiten Kundenlobby und Politiker über die geplanten Tariferhöhungen, ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt. Aber es könnte bald sogar noch teurer werden.

Der Kabelbrand nahe dem Ostkreuz vom Donnerstagabend hat auch am Freitag die S-Bahn-Linien 5, 7 und 75 teilweise lahmgelegt. Erst fuhren nur Ersatzbusse und bis zum Nachmittag ein Pendelzug zwischen Nöldnerplatz und Ostkreuz. Danach kam der Zugverkehr mit ausgedünntem Fahrplan allmählich in Gang. Etliche Reisende standen abermals „frierend und teilweise ohne sachdienliche Informationen“ auf den Bahnsteigen, wie ein Betroffener berichtete. Das Informationsdefizit lag allerdings daran, dass auch Kabel für die Anzeigen beschädigt waren.

Die Ursache für das Feuer an einer Kabelbrücke an der Nöldnerstraße war am Freitag noch unklar. Der Staatsschutz ermittelt, ob es sich um eine vorsätzliche Brandstiftung handelt oder – wie vor zwei Jahren – die linksextreme Szene einen Anschlag verübt hat. Laut Polizei liegt bisher kein Bekennerschreiben vor. Der Schwelbrand war am Donnerstag gegen 17.30 Uhr entdeckt worden.

Am selben Tag war bekannt geworden, dass die Fahrpreise bei BVG und S-Bahn zum Juli teils deutlich steigen sollen. Während der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Verständnis dafür äußerte, kam von Kundenverbänden massive Kritik. Peter Cornelius vom Fahrgastverband Pro Bahn sagte: „Bei all den Problemen, die derzeit bestehen, werden sich viele Passagiere fragen, ob die neuen Preise gerechtfertigt sind.“

Er kritisiert, dass von den geplanten Preiserhöhungen auch Stammkunden betroffen seien. Zwar sollen die Preise bei einer AB-Monatskarte deutlich geringer steigen – um 1,3 Prozent von derzeit 77 Euro auf künftig 78 Euro. Nach Ansicht von Cornelius sind jedoch selbst geringe Preissprünge ein falsches Signal: „Sinnvoll wäre es gewesen, Stammkunden für ihre Treue zu belohnen und die Preise zu senken.“

Das sieht Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband Igeb ähnlich: „Tarifpolitik ist immer auch Sozialpolitik. Statt sich Gedanken zu machen, wie man mehr Menschen für den öffentlichen Nahverkehr gewinnen kann, wird einseitig an der Kostenschraube gedreht.“ Auch sieht Wieseke ungenutzte Einsparpotenziale etwa beim Busverkehr. „Wie oft werden Busse durch parkende Autos auf dem Busstreifen ausgebremst und verlieren dadurch wertvolle Zeit“, sagt Wieseke. „Die Stadt muss sich entscheiden, welches Verkehrsmittel wichtiger ist: ein vollbesetzter Bus oder ein Auto?“

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) wollte sich nicht äußern. Ein Sprecher verwies auf die anstehenden Entscheidungen im Aufsichtsrat, in dem die Länder Berlin und Brandenburg sowie Landkreise und kreisfreie Städte vertreten sind. Auch von S-Bahn und BVG mochte niemand Stellung beziehen.

In der Politik fielen die Reaktionen unterschiedlich aus: CDU-Verkehrspolitiker Oliver Friederici verteidigte die geplanten Preissprünge, weil auch Betriebs- und Personalkosten stiegen. Der Grüne Stefan Gelbhaar forderte dagegen mehr Effizienz. Der Senat müsse offenlegen, an welcher Stelle tatsächlich steigende Kosten aufzufangen wären. „Warum die Fahrgäste ihr Portemonnaie öffnen sollen“, nachdem der Senat wegen der jüngsten Probleme bei der S-Bahn einen zweistelligen Millionenbetrag einbehalten habe, sei unverständlich. Jutta Matuschek (Linke) hält die geplanten Steigerungen, sofern der Senat sie beschließen sollte, für einen „Bruch des Koalitionsvertrages“. So haben SPD und CDU beschlossen, dass mögliche „Tarifanhebungen im ÖPNV“ nur „moderat“ erfolgen dürfen und sich darüber hinaus am „Anstieg der Lebenshaltungskosten“ zu orientieren hätten. „Ein Anstieg von mehr als acht Prozent bei den Einzelfahrscheinen ist aber alles andere als moderat“, sagte sie.

Ab 2014 könnte es sogar noch teurer werden, befürchtet der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Der Grund ist die geplante Strompreisbremse der Bundesregierung: Die schwarz-gelbe Koalition will weniger Unternehmen als bislang von der Ökostrom-Umlage befreien. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat auch die Verkehrsverbünde im Visier. „Das würde bundesweit Zusatzausgaben von 230 Millionen Euro bedeuten“, sagte VDV-Präsident Jürgen Fenske am Freitag in Berlin. „Das müsste auf jeden Fall über höhere Fahrpreise aufgefangen werden.“

Für Berlin bedeutete das Zusatzausgaben von bis zu 15 Millionen Euro. Das entspräche nach Berechnungen der BVG Aufschlägen auf die Tickets von 2,5 bis 2,6 Prozent. Aber auch die Deutsche Bahn und ihre Züge im Regional- und Fernverkehr wären betroffen. „Absurd und grotesk“ nannte Fenske das Vorhaben Altmaiers. „Es träfe ausgerechnet diejenigen, die aktiv zum Klimaschutz beitragen.“ Am 21. März wollen Bund und Länder verhandeln. Widerstand gibt es vor allem aus der SPD.

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