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Berlin: Gelegenheit macht dreiste Diebe

Jugendlicher Serientäter klaute sogar noch vor dem Gericht – und wurde gestern erneut milde bestraft

Die räumliche Nähe zur Justiz schreckte die Täter nicht. „Dreist kommt weiter“, dachten sie. Zwei junge Männer suchten sich ausgerechnet vor dem Kriminalgericht Moabit ein Fahrzeug, das sie ausräumen könnten. Sie fanden einen unverschlossenen zivilen Polizeiwagen und bedienten sich. Ein anderer jugendlicher Dieb langte in den Räumen der Staatsanwaltschaft zu und stahl einer Justizbeamtin das Handy aus der Jackentasche. Zwei der drei saßen gestern wieder im selben Hause – vor dem Amtsgericht Tiergarten.

Für den Klau vor dem Kriminalgericht musste sich Ahmet K. aus Tempelhof verantworten. Er ist 22 Jahre alt, arbeitslos und hat die Justiz schon häufig von der milden Seite erlebt. Zehnmal stand er seit 1994 schon vor Gericht. Sieben der Verfahren wurden eingestellt, einmal wurde er ermahnt, einmal gab es eine Geldstrafe, zuletzt dann wegen gefährlicher Körperverletzung eine Bewährungsstrafe von sieben Monaten. Nun nahm es Ahmet eher gelassen und verweigert lächelnd die Aussage.

Ahmet und sein 16-jähriger Kumpel Troufic sollen am 18. Dezember 2001 gegen 11 Uhr aus einem Opel Vectra der Polizei eine Schutzweste mit Polizeiaufschrift, eine schusssichere Weste, ein Funkgerät und einen Schlagstock geklaut haben. Von der gegenüberliegenden Seite beobachtete ein Taxifahrer, dass einer der Täter per Handy telefonierte. Kurze Zeit später fuhr ein BMW vor, nahm die Beute auf und verschwand. Die beiden jungen Männer zogen sich seelenruhig ins Gerichtsgebäude zurück. Der 29-jährige Taxifahrer alarmierte die Polizei.

„Ich bin dann mit der Polizei ins Gebäude“, sagte der Taxifahrer als Zeuge aus. Er hatte sich vorsichtshalber das Kennzeichen des BMW notiert, der Halter war schnell ermittelt. Man stellte fest, dass gegen diverse Familienmitglieder dieses Mannes im Saal 500 ein Prozess wegen Bandendiebstahls lief. Es waren, wie sich später herausstellte, Verwandte des 16-jährigen Troufic. Ahmet und Troufic saßen als Zuhörer im Saal. In einer Verhandlungspause schnappte die Polizei zu. Wenige Tage später wurde auch die Beute bei der Polizei abgegeben – anonym. Sie wurde über einen Mann, der als eine Art „Friedensrichter“ in der arabischen Szene in Neukölln anerkannt ist, zurückgegeben.

Das Verfahren gegen Troufic wurde bald eingestellt – „im Hinblick auf andere Straftaten“, hieß es. Ahmet kam jetzt noch einmal mit einer Bewährungsstrafe von vier Monaten davon. Weil seine Bewährungshelferin ihn als „vorbildlichen Probanden“ beschrieb. Auf eine solche Fürsprecherin kann der 22-jährige Serkan K., der sich seit gestern für einen Handy-Klau in den Diensträumen der Staatsanwaltschaft verantworten muss, nicht hoffen. Er, ebenfalls ein jugendlicher Intensivtäter, ist gerade wegen Raubes zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Wie Ahmet schwieg er nun vor Gericht.

Serkan war im Oktober vergangenen Jahres im Kriminalgericht, weil er einen Häftling besuchen und eine entsprechende Erlaubnis beantragen wollte. Leichtsinnig verließ eine 33-jährige Justizbeamtin für einige Minuten das Zimmer. Als er allein war, soll Serkan dreist zugegriffen haben. Das Handy, das damals aus der Jackentasche einer 33-jährigen Justizbeamtin verschwunden war, wurde eine Woche später bei ihm gefunden. Mit einem Urteil im Falle Serkan wird am 10. Oktober gerechnet.

Kerstin Gehrke

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