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Berlin: Gemeinsames Zentralabitur gerät ins Wanken

Ex-Minister Reiche und Gewerkschaft GEW fürchten um gemeinsame Bildungsregion

Berlin/Potsdam - Das Auseinanderdriften Berlins und Brandenburgs in der Bildungspolitik alarmiert Experten. So meldet sich nach jahrelanger Zurückhaltung jetzt der frühere Potsdamer Bildungsminister und langjährige SPD-Landesvorsitzende Steffen Reiche zu Wort. Er hatte einst mit seinem Berliner Kollegen Klaus Böger die engere Kooperation beider Länder angestoßen, die in gemeinsame Insitute, Lehrpläne und Prüfungen mündete. Gegenüber dem Tagesspiegel warnte Reiche nun am Montag vor der „eindeutig wachsenden Gefahr, dass wieder auseinanderwächst, was zusammengehört und gemeinsam stärker wäre“. In diesem Zusammenhang kritisierte Reiche die rot-rote Bildungspolitik in Brandenburg, die seiner Einschätzung nach – etwa mit der Ablehnung der Transparenz-Offensive Zöllners – gegenüber Berlin hinterhinkt. Seine Kritik wird von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), aber auch innerhalb der Potsdamer Bildungsverwaltung geteilt. Der Trend sei um so unverständlicher, so Reiche, da es mit rot-roten Koalitionen in beiden Ländern eine „Idealkonstellation“ für ein abgestimmtes Vorgehen gebe.

Aktueller Anlass für die Warnung Reiches, der bis 2004 Minister war, sind jüngste Entscheidungen von Bildungsminister Holger Rupprecht und Berlins Schulsenator Jürgen Zöllner (beide SPD) zum gemeinsamen Zentralabitur in Deutsch, Englisch, Französisch und Mathe – die de facto auf das Aus hinauslaufen. Neuerdings haben Brandenburger Abiturienten vorher weniger Unterricht, müssen aber ab 2012 die gleichen Abiturprüfungen wie in Berlin schreiben. Ein Proteststurm von Lehrern, Eltern und Schülern ist programmiert. „So degeneriert man die gemeinsame Bildungsregion zu Lippenbekenntnissen“, sagte Reiche. Hintergrund ist, dass Brandenburg jetzt das Stundenvolumen der Leistungskurse von fünf auf vier Wochenstunden und der Grundkurse von drei auf zwei Wochenstunden reduziert, Berlin aber das bisherige Volumen beibehält. Dies hat Zöllner auf der jüngsten gemeinsamen Sitzung der Bildungsausschüsse klargestellt. Während Brandenburg den schwarzen Peter nach Berlin schiebt, kritisiert Ex-Minister Reiche die einseitige Stundenreduzierung in Brandenburg. „Wenn man gemeinsame Lehrpläne macht, gemeinsame Prüfungen, dann muss man beeinander bleiben.“ Die Reduzierung des Unterrichtes in der gymnasialen Oberstufe Brandenburgs – begründet mit sinkenden Schülerzahlen und einer Sicherung der Vielfalt von Kursen – sei auch fachlich nicht nachvollziehbar. Die Verkürzung der Kurse hält der Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Gunther Fuchs, auch angesichts der Lernergebnisse für falsch. „Wenn man ein gemeinsames Abitur macht, muss es auch einen gemeinsamen Weg dorthin geben.“ Es sei ein typisches Beispiel, dass die gemeinsame Bildungsregion „nicht ausgestaltet“ werde. „Es entwickelt sich auseinander.“ Auch er macht keinen Hehl daraus, wo es besser läuft. „Berlin geht Schritte, die in Brandenburg nicht einmal diskutiert werden.“ Am Mittwoch will Rupprecht eine eigene Qualitäts-Offensive für Brandenburgs Schulen vorstellen.

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