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Der Griff zur Falsche in deutschen Kinderzimmern. Hat unsere Jugend ein Alkoholproblem?

© dpa

Generation Wodka: Saufen als Volkssport

Der Griff zur Flasche endet bei vielen Jugendlichen im Krankenhaus. Alkohol ist die Droge Nummer eins, sagt Bernd Siggelkow und dokumentiert mit dem Buch „Generation Wodka“ das Problem anhand schockierender Einzelfälle.

45 Tequila hatte der 16-jährige Lukas W. in einer Berliner Kneipe getrunken. Erst fiel er ins Koma, wenige Wochen später war er tot. Wochenlang diskutierten Politiker, Wissenschaftler, Eltern und Sozialarbeiter über das Thema „Komasaufen“. Vier Jahre später haben nun Bernd Siggelkow, der Gründer des Kinderhilfswerks Arche, und die beiden Journalisten Wolfgang Büscher und Marcus Mockler das Buch „Generation Wodka“ vorgestellt.

Siggelkow zeigte sich am Dienstag tief unzufrieden darüber, wie Politik und Gesellschaft das Thema Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen unterschätzten. „Saufen, erbrechen, weitersaufen“ sei für viele Jugendliche zum „Volkssport“ geworden. Das Problem ziehe sich durch alle Schichten. „Es gibt eine Art Wohlstandsverwahrlosung. Prozentual sind es viel mehr Gymnasiasten als Hauptschüler, die sich regelmäßig betrinken.“ Die Autoren zitieren eine Studie der Krankenkasse DAK, wonach bereits zehn Prozent der Kinder unter zwölf Jahren jede Woche Alkohol trinken. Alkohol sei nicht die Einstiegsdroge, sagte Siggelkow. „Es ist die Droge Nummer eins.“

Schauspielerin Veronica Ferres und Autor und Arche-Gründer Bernd Siggelkow stellen "Generation Wodka" vor.
Schauspielerin Veronica Ferres und Autor und Arche-Gründer Bernd Siggelkow stellen "Generation Wodka" vor.

© dpa

Die Schauspielerin Veronica Ferres, die als Gast an der Buchvorstellung teilnahm, sagte, sie sei „schockiert“ vom Ausmaß des Alkoholkonsums. „Ich habe diese Schlagzeilen vorher immer nur als Einzelfälle wahrgenommen.“

Sie warnte vor den Kosten für ärztliche Behandlungen, die künftige Generationen aufbringen müssten. Das sei vielleicht ein „Ansatzpunkt für die Politiker, das Thema endlich ernst zu nehmen“.

In dem Buch porträtieren die Autoren junge Leute, die unterschiedliche Negativerfahrungen gemacht haben. Ein solches Beispiel ist das von Marek, der unter Alkoholeinfluss den Cousin seiner Freundin verprügelte und noch auf ihn eintrat als der bereits am Boden lag. Auf dem Weg ins Krankenhaus starb das Opfer, Marek wurde zu neun Jahren Haftstrafe verurteilt. Es sind sehr persönliche Geschichten und Schicksale, die die Autoren aufgeschrieben haben. Am Ende stellen sie eine Reihe von Forderungen. Nach amerikanischem Vorbild befürworten sie ein allgemeines Alkoholverbot in der Öffentlichkeit, eine Promille-Grenze für öffentliche Verkehrsmittel, ein striktes Alkoholverbot für Schwangere und ein Verkaufsverbot an Tankstellen. Die derzeitigen Verbote reichen nicht aus, so die Botschaft.

Dass die Forderungen kaum Aussicht auf Erfolg haben, gestand Siggelkow gleichwohl ein. Es gehe ihm darum, wachzurütteln und eine Debatte zu führen. Ko-Autor Marcus Mockler ergänzte, dass schon harte Strafen für Lebensmittelketten enorm helfen würden, falls diese verbotenerweise Alkohol an Jugendliche verkauften, denen der Erwerb untersagt ist.

Die provokanten Thesen sind wohl Kalkül. 2008 warnten Siggelkow und Büscher in einem anderen Buch, Sex- und Pornografiesucht sowie sexuelle Verwahrlosung seien bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Viele hätten immer früher Sex, lernten aber nicht, was Liebe ist. Das leiteten sie aus 30 Einzelfällen ab. Ihnen wurde vorgeworfen, wissenschaftliche Standards verletzt zu haben. „Generation Wodka“, sagte nun Siggelkow, sei aber durch unterschiedliche Studien fundiert.

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