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Berlin: Genossen im freien Fall

Die Berliner SPD kann mit ihrer Regierungspolitik bei den Wählern keine Punkte machen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, dass die Berliner SPD als strahlender Sieger aus Parlamentswahlen hervorging. Als stärkste Partei, mit Abstand gefolgt von einer CDU, die vom Wähler hart bestraft wurde. Damals hätte die PDS die Union beinahe überholt. Der FDP gelang der Wiedereinzug ins Parlament, die Grünen blieben hinter den Liberalen zurück. Das war im Dezember 2001. Seitdem hat sich die Meinungslandschaft dramatisch verändert. Die unpopuläre Senatspolitik hat den ohnehin schlechten Bundestrend gegen die SPD noch kräftig verstärkt. Und so fährt die Abgeordnetenhausfraktion der Sozialdemokraten heute nicht besonders gut gelaunt zur Klausurtagung nach Leipzig.

Es ist auch kein Zufall, dass dort ausnahmsweise mal nicht die Sparpolitik im Vordergrund steht. Die Genossen wollen sich über Arbeitsmarktförderung, Bildungspolitik und Jugendarbeit unterhalten und die Folgen der EU-Erweiterung für Berlin ausloten. Es ist auch kein Zufall, dass sich in der Landespartei zur Jahreswende die SPD-Linke enger zusammengeschlossen hat. Denn im Frühjahr werden die Kreis- und Ortsvorstände neu gewählt, im Juni der Landesvorstand. Jenen Sozialdemokraten, die unbeirrt an der harten Finanzpolitik als Dreh- und Angelpunkt des Regierens festhalten, wird in nächster Zeit wohl ein schärferer Wind entgegenwehen.

Alarmiert ist die Parteibasis, aber auch die Mehrheit der SPD-Fraktion über die anhaltend schlechten Umfragewerte in Berlin. Alle Träume, auf der Welle des Erfolgs der 40-Prozentmarke entgegenzureiten, sind längst ausgeträumt. Die letzte veröffentliche Meinungsumfrage sah den SPD-Landesverband vor einer Woche bei 20 Prozent. Nach der Wahl 2001 hatten sich die Sozialdemokraten nach einem kurzen – der Popularität des Regierungschefs Klaus Wowereit geschuldeten – Höhenflug bei der 30-Prozentmarke eingependelt. Doch im Oktober 2003 knickte die SPD in der Wählergunst scharf ein und befindet sich seitdem im freien Fall.

Natürlich hat die bundespolitische Diskussion zur Steuer-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Rentenreform auch in Berlin negative Wirkung gezeigt. Aber daneben gibt es hausgemachte Gründe. Die Erhöhung der Kita-Gebühren und die Einsparungen an den Hochschulen haben viele Sympathien gekostet. Und mit dem Urteil zur Verfassungswidrigkeit des Haushalts wurde das Vertrauen in die politische Handwerkskunst der SPD nicht gerade gestärkt. Erschwerend kommt hinzu, dass Wowereit längst nicht mehr so beliebt ist wie früher und dass die Berliner SPD mit Peter Strieder einen notorisch unpopulären Parteichef hat.

Von den einschneidenden Veränderungen im Wählerverhalten profitiert inzwischen der Koalitionspartner PDS, der sich einem ziemlich treuen Wählerstamm erfolgreich als das soziale Gewissen der rot-roten Regierung anbietet. Auch die Berliner Grünen ziehen spürbare Vorteile aus der Schwäche der SPD, und der CDU ist es gelungen, trotz interner Irrungen und Wirrungen das Vertrauen ihrer Wähler teilweise wiederzugewinnen.

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